Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Montag, 20. August 2012

20. August 1968


Wer dachte, im letzten Eintrag würde Johonson zu einem großen Finale ausholen - Gesine sinkt D.E. in die Arme oder so - der wird enttäuscht. Zwar finden wir nur Gesine und Marie an der dänischen Küste - aber statt dort auf D.E. zu treffen oder irgendetwas gaanz kluges zu sagen, treffen sie Kliefohrt, Gesines alten Englischlehrer. Man begegnet sich mich Achtung. Man erkundigt sich, was vorgefallen ist, was auf der Beerdigung Cresspahls gesprochen wurde - "Unfug" ... . "Geschichte ist ein Entwurf" meint Kliefohrt und Gesine antwortet: "Wie es uns ergeht, haben wir aufgeschrieben bis zu unserer Arbeit in Prag, 1875 Seiten." Nun, in der Suhrkampausgabe steht das auf Seite 1891 - egal. Ja, Geschichte ist ein Entwurf - einer, den man aber nicht verwerfen kann. Und damit enden die "Jahrestage" von Johnson - unspektakulär, ruhig, eben so wie immer. 

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Eine persönliche Schlussbemerkung sei mir erlaubt.

Und was hat das Ganze nun gebracht? OK, die, die mitgelesen haben, haben eine recht ausführliche Inhaltsangabe der „Jahrestage“ (gibt’s ab heute bei mir auch als pdf, äh, eher nächste Woche, mein großer Computer ist kaputt gegangen, hoffentlich wird man ihn reparieren können und wenn das der Fall ist und die Daten nicht abgerauscht sind ...) aber sonst? Ganz ehrlich: So gut wie nichts. Ich war eigentlich davon ausgegangen, bzw. ich habe es inständig gehofft, dass ich mit den einzelnen Einträgen mehr anfangen könnte, dass es mehr Berührungspunkte mit mir gäbe. Die Hoffnung war, im allerbesten Fall dem Leben von Gesine, Marie und den anderen meines quasi daneben zu stellen, wenn vielleicht auch nicht komplett, so doch hin und wieder. Oder in einen Art ‚Dialog’ mit einer der Figuren zu kommen, oder ähnliche Erlebnisse / Ereignisse parallel zu erleben, oder ... Und wenn es in den Alltäglichkeiten auch Parallelen gab – funktioniert hat es jedenfalls nicht, ganz und gar nicht. Sind die Welten von 1967/68 und 2011/12 so vollkommen anders oder – bis auf die politischen Ereignisse – so ähnlich? Sind 1967/68 ein Zeit, die erst noch ‚reifen’ muss, damit man sich an ihr ‚reiben’ kann? Ist Nazi-Deutschland schon so weit weg, dass ein Bezug nur schwer aufzubringen ist? Ist selbst die DDR jetzt schon ein Fußnote der Geschichte? Ich kann es mir bisher nicht erklären, warum von meinen Vorstellungen nichts aufgegangen ist – aber bevor ich jetzt Johnson die Schuld gebe: So ein Projekt ohne vorheriger Kenntnisse der Materie ist ein Wagnis. Wer wagt gewinnt – und sei es auch nur die Erkenntnis, dass es eben nicht funktioniert. Immerhin: Aus den wenigen Rückmeldungen kann ich dann doch ersehen, dass Anteil genommen wurde an Gesine, Marie und den anderen. Und ich, ich kann nun behaupten, die „Jahrestage“ gelesen zu haben, kann mit mir zufrieden sein, bis auf die drei Wochen Urlaub und an einer einzigen anderen Stelle für drei Tage, wirklich jeden Tag gelesen und geschrieben zu haben. Und auch wenn dieses Lese-Projekt gründlich daneben gegangen ist: unter geänderten Bedingungen und einem Text, der online verfügbar ist, könnte ich mir das mal wieder vorstellen – aber nicht mehr dieses Jahr.

Sonntag, 19. August 2012

19. August 1968

Der vorletzte Eintrag. Johnson reißt die Jahre, die Gesine in NY ist ab. Jetzt wissen wir auch, warum sie bei der ersten Stelle gekündigt wurde: Sie hat einer Kundin Aktien nicht verkaufen wollen, weil die schlecht waren. Später wird sie eben Fremdsprachensekretärin, aber das wissen wir ja von Anfang an. Ansonsten Kleinigkeiten aus den vergangenen Jahren, wie das halt so ist, wenn man die letzten acht Jahre auf wenigen Seiten berichten will. Koffer nach Prag werden aufgegeben - aber die Wohnung werden sie dennoch halten.

Samstag, 18. August 2012

18. August 1968

Scheint Johnson gestern vergessen zu haben: " Cressphals Tochter lebte in New York, als er starb im Herbst 1962." Ansonsten: "Ein arbeitsfreier Tag. An dem Marie eine Gesellschaft geben will für Kinder, zum Abschied."

Freitag, 17. August 2012

17. August 1968

Johnson will - auch - zum Ende kommen. Also beeilt er sich, um den Kreis zu schließen und in einem Gewaltritt werden die entscheidenden Jahre von Gesine referiert. Von Belrin geht sie nach Frankfurt, will dort Anglistik studieren, ist aber zu teuer. Also Dolmetscherschule und viele Nebenjobs, um sich über Wasser zu halten, einige Entsagungen. Dann hat sie eine Anstellung in Düsseldorf, Jakob kommt sie dort regelmäßig besuchen - und irgendwann wird Marie auch gezeugt, aber Jakob stirbt bei einem Arbeitsunfall. Cresspahl besucht hin und wieder Tochter und Enkelin. Das Geld, was er in England auf der Bank hat, vermacht er Marie: "Für fünf Jahre Studium langt es." Gesine macht eine Banklehre, der Folgen wir ja kennen. Dazu deutsche Nachkriegswirklichkeiten und - wenn ich es richtig verstanden habe - ein böses Portrait von Franz Josef Strauß. Ach ja, Gesine bekommt zu ihrer Volljährigkeit noch ein Geschenk vom längst verstorbenen Anwalt Kollmorgen - Trauringe. Die hat sie jetzt für Marie vorgesehen. Und Marie hat neben Gesine einen weiteren "Vormund" (ich vermute, dass sollte eher Testamentsvollstrecker heißen, aber das ist vieleicht damals anderes gewesen?, jedenfalls Anita ist das. D.E. wäre ihr lieber gewesen. Das ganze - zum letzten Mal - auf der South Ferry und mit der Erleichterung nach der langen Erzählung Marie: "In New York wurde ich vier. endlich sind wir angekommen, wo meine Erinnung Bescheid weiß. Welcome home!"

Donnerstag, 16. August 2012

16. August 1968


Gesine und Marie verlängern spontan ihren Kurzurlaub, weiter geht es nach New Orleans. Ansonsten ausführlicher Bericht über die Situation im Juni 1953. In dem Jahr zumindest hat Gesine 'rübergemacht'. Dein 'Einbürgerung' ist ein amtlicher Hürdenlauf - es klappt dann aber doch. Da - schon!, hätte ich nicht gedacht - lernt sie D.E. kennen, von dem es heute keine kryptischen Nachrichten gab, wie denn auch.

Mittwoch, 15. August 2012

15. August 1968

"Zur Eingewöhnung in den Abschied" - das ist wohl das Motto der letzten Tage. Marie und Gesine auf dem Weg nach San Francisco, zu Hause klinget nämlich immer noch dauernd das Telefon wg. D.E. Und schätzungsweise geht es für Gesine ja bald nach Prag - auch wenn wir das nicht mehr mitbekommen werden. Abschied auch, wenn dann zurückliegend, aus Jerichwo, denn Gesine beginnt in Halle zu studieren. Ausführlicher Bericht, wie Komilitionen versuchen sie auszuspionieren, ihre Gesinnung prüfen wollen: "da machte ich dem Spiel ein Ende, der Aushorchung vermittels beantragter Liebe." Jakob, der jetzt bei der deutschen Eisenbahn ist, kommt sie hin und wieder besuchen. Und dann noch eine lange, lange Geschichte aus Jerichow wegen einem Pferd und Betrug und was weiß ich ... Ach ja, Gesine gibt an sie könne gut schießen, Marie glaubt ihr das nicht. In San Fransicso angekommen gibt es Gelegenheit mit einem Luftgewehr zu schießen: "Geht die Dame hin, nimmt ein Gewehr, nach zehn Schüssen eine Weckeruhr sich verdient, den Hauptpreis. Klatschen Beifall, neidlos, die Zuschauer."

Dienstag, 14. August 2012

14. August 1968


Es gibt kaum etwas, was mich mehr langweilt, als Schulgeschichten der anderen! Da höre ich nur aus Höflichkeit zu und versuche so schnell das Thema zu wechseln – oder spreche selbst stundenlang von meinen Schulerfahrungen (und langweile damit die anderen – so wie sie mich davor – tödlich). Und so heute eben der Eintrag. Abiturszeit von Gesine und sonstige Schulgeschichten – *gähn*. Die Lehrer als Trottel und das übliche aus diesem Genre, dann noch die guten Noten von Gesine (die ich nie hatte) und fertig ist der unbeliebteste Eintrag nach 1.826 Seiten bzw. nach 359 Tagen – in sechs Tagen ist nämlich Schluss.