Wer dachte, im letzten Eintrag würde Johonson zu einem großen Finale ausholen - Gesine sinkt D.E. in die Arme oder so - der wird enttäuscht. Zwar finden wir nur Gesine und Marie an der dänischen Küste - aber statt dort auf D.E. zu treffen oder irgendetwas gaanz kluges zu sagen, treffen sie Kliefohrt, Gesines alten Englischlehrer. Man begegnet sich mich Achtung. Man erkundigt sich, was vorgefallen ist, was auf der Beerdigung Cresspahls gesprochen wurde - "Unfug" ... . "Geschichte ist ein Entwurf" meint Kliefohrt und Gesine antwortet: "Wie es uns ergeht, haben wir aufgeschrieben bis zu unserer Arbeit in Prag, 1875 Seiten." Nun, in der Suhrkampausgabe steht das auf Seite 1891 - egal. Ja, Geschichte ist ein Entwurf - einer, den man aber nicht verwerfen kann. Und damit enden die "Jahrestage" von Johnson - unspektakulär, ruhig, eben so wie immer.
Eine persönliche Schlussbemerkung sei mir erlaubt.
Und was hat das Ganze nun gebracht? OK, die, die mitgelesen haben, haben eine recht ausführliche Inhaltsangabe der „Jahrestage“ (gibt’s ab heute bei mir auch als pdf, äh, eher nächste Woche, mein großer Computer ist kaputt gegangen, hoffentlich wird man ihn reparieren können und wenn das der Fall ist und die Daten nicht abgerauscht sind ...) aber sonst? Ganz ehrlich: So gut wie nichts. Ich war eigentlich davon ausgegangen, bzw. ich habe es inständig gehofft, dass ich mit den einzelnen Einträgen mehr anfangen könnte, dass es mehr Berührungspunkte mit mir gäbe. Die Hoffnung war, im allerbesten Fall dem Leben von Gesine, Marie und den anderen meines quasi daneben zu stellen, wenn vielleicht auch nicht komplett, so doch hin und wieder. Oder in einen Art ‚Dialog’ mit einer der Figuren zu kommen, oder ähnliche Erlebnisse / Ereignisse parallel zu erleben, oder ... Und wenn es in den Alltäglichkeiten auch Parallelen gab – funktioniert hat es jedenfalls nicht, ganz und gar nicht. Sind die Welten von 1967/68 und 2011/12 so vollkommen anders oder – bis auf die politischen Ereignisse – so ähnlich? Sind 1967/68 ein Zeit, die erst noch ‚reifen’ muss, damit man sich an ihr ‚reiben’ kann? Ist Nazi-Deutschland schon so weit weg, dass ein Bezug nur schwer aufzubringen ist? Ist selbst die DDR jetzt schon ein Fußnote der Geschichte? Ich kann es mir bisher nicht erklären, warum von meinen Vorstellungen nichts aufgegangen ist – aber bevor ich jetzt Johnson die Schuld gebe: So ein Projekt ohne vorheriger Kenntnisse der Materie ist ein Wagnis. Wer wagt gewinnt – und sei es auch nur die Erkenntnis, dass es eben nicht funktioniert. Immerhin: Aus den wenigen Rückmeldungen kann ich dann doch ersehen, dass Anteil genommen wurde an Gesine, Marie und den anderen. Und ich, ich kann nun behaupten, die „Jahrestage“ gelesen zu haben, kann mit mir zufrieden sein, bis auf die drei Wochen Urlaub und an einer einzigen anderen Stelle für drei Tage, wirklich jeden Tag gelesen und geschrieben zu haben. Und auch wenn dieses Lese-Projekt gründlich daneben gegangen ist: unter geänderten Bedingungen und einem Text, der online verfügbar ist, könnte ich mir das mal wieder vorstellen – aber nicht mehr dieses Jahr.