Gut, dass ich den Mittagsschlaf nicht gemacht habe, sonst wäre ich mit den heutigen 14 Seiten (!) ganz schön ins Schleudern gekommen, viel Zeit ist heute nicht. Johnson holt aus, und gibt Aus- und Einblicke auf eine Art gesellschaftliches Panorama in Veränderung. Geschickt steht erst Lisbeth im Mittelpunkt, die ihrem Gatten nach England nur ungerne Briefe schreibt und händeringend nach Inhalten sucht „mal hat sie [Gesine] grüne Augen, mal graue“. Dabei hätte sie mindestens soviel zu schreiben wie Johnson heute, denn in Jerichow nimmt der nationalsozialistische Ungeist weiter Raum. Jüdische Geschäfte werden von Nazis ‚bewacht’, dass niemand kauft, Tierarzt Seming verliert sein Amt als Veterinär, Kleingeister wittern Morgenluft und treten in die Partei ein. Man versucht sich zu arrangieren, man versucht Vorteile sich zu verschaffen. Das tolle an dem Eintrag heute – Johnson arbeitet leichthändig die Motivationen heraus und die sind alles andere als politisch. Hilde beispielsweise ignoriert den Geschäftsboykott nicht aus Überzeugung, sondern weil der Pelzmantel so wahnsinnig billig ist. Der ein oder andere macht sich aus finanziellen Gründen gemein mit den Nazis und so suppt die braune Soße langsam über den Ort, dringt in die Zimmer, Geschäfte und Ämter ein. Ein wirklich starker, entlarvender Text, der extrem glaubwürdig daher kommt, zwar keine Antwort auf die Frage gibt „Wie konnte es soweit kommen“, aber Hinweise liefert. Überzeugende in der Darstellung, nicht aber inhaltlich.
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