Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Dienstag, 15. November 2011

15. November 1967


Nach den üblichen Meldungen aus der NYT, Johnson kann die herrlich trocken zusammenfassen, ein Gespräch zwischen Marie und Gesine. Es geht um die Taufe Gesine am 19. März 1933. Cresspahl kümmert sich darum, spricht bei Pfarrer Brüshaver vor – den hatten wir schon ausführlich – der ihm wie ein Beamter vorkommt. Tierarzt Semig wird Taufpate, auch wenn alle denken, er sei Jude – was er aber nun mal nicht ist. Marie versteht es nicht ganz bzw. will es nicht verstehen, dass Cresspahl jetzt doch wohl klein beigibt, alles Lisbeth recht macht und wohl beabsichtigt, in Jerichow zu bleiben. „Warum sagt er nicht:“ fragt sie Gesine „Nimm das Kind, nimm die zusammen, geh hinter mir her?“ und bekommt die Antwort: „Du bist doch sonst nicht für Gewalt.“ Schon spannend, wie Marie merkt – aber vielleicht weiß sie ja auch einfach mehr als ich – dass Cresspahl ‚schwächelt’, oder wie soll man das ausdrücken? Ist seine Liebe zu Lisbeth wirklich so groß? Ich wage letzteres ja zu bezweifeln. Mir will es vielmehr so scheinen, dass er sich seinem Schicksal hingibt, weil er wenig Lust und / oder Kraft hat, eine Kraftprobe zu wagen. Das Adjektiv „feige“, wie Marie ihn bezeichnet, trifft vielleicht nicht ganz – aber falsch ist es auch nicht.

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