Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Mittwoch, 11. Januar 2012

11. Januar 1968

Man kann jetzt wohl nicht behaupten, dass Cressphal seinen Hof verbarrikadiert hätte, aber es ist doch alle so eingerichtet, dass keiner unbemerkt reinkommt. Geschickt gemacht, gerade jetzt, wo jeder zu Lisbeth will, um sie wegen der Vorladung – je nach Ausrichtung – ins Gewissen zu reden. Aber a) schüchtert Cresspahl gekonnt die Besucher ein und b) weiß sich Lisbeth zu wehren. Ihr Vater ist jedenfalls erschüttert, dass es bei Lisbeth nicht half, „was bei Louise regelmäßig geholfen hatte“. Er findet es „unerfindlich, daß Einer die Frau nicht anbrüllt“. Und was tut Lisbeth? Sie geht ins Wasser! Will sich ertränken, wird aber gerade noch gerettet und verspricht ihrem Mann: „Dat dau ich nich noch eins: Nich so.“ Suizidgefährdet also und da wir wissen, dass sie nicht mehr lange leben wird … Es war für mich letztes Jahr schon eine sehr überraschende Erfahrung, wie viele nicht nur schon ernsthaft an Suizid gedacht, sondern auch Versuche unternommen haben. So eine Ausnahme ist das nicht. Wie wird Semig reagieren, den sie jetzt verhaftet haben? Cresspahl wird mir immer undurchsichtiger. Entweder wird er immer verschrobener oder er hat – als einziger – Ahnungen.

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