Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Donnerstag, 12. Januar 2012

12. Januar 1968

Recht spannend heute. Kurze Bericht, wie es mit Annie und den Kindern gemeinsam in der Wohnung ergeht: sie kommen gut miteinander aus, Marie wird behandelt wie der Vorstand des Hauses, weil sie weiß, „wie deine Mutter es macht“ und um Gesine wird sich ebenfalls rührend gekümmert. So sauber, will es scheinen, war die Wohnung noch nie. Doch das eigentlich ist ein Gespräch zwischen Gesine und – ja wem? – einem Art ‚uns’ und man darf vermuten, dass sich Johnson selber dahinter versteckt. Und da kommt raus, dass Gesine dann doch einige Vorbehalte gegenüber Annie hat, nach fünf Jahren ohne Nachsendeadresse einfach abzuhauen zum Beispiel. Und als Gast in einem Land gegen dessen Politik zu demonstrieren behagt ihr auch nicht so. Sie steht zwar kritisch der Politik gegenüber und will weiter in dem Land leben, „weil es das Leben von Marie geworden ist“. Kinder – so meine Erfahrung – sind als Ausreden immer hervorragend zu miß-/ge-brauchen. Andererseits tritt eine gewisse Dickköpigkeit von Gesine an Tag, die meinem Gefühl nach eher eine Art Trotzreaktion ist, eher so etwas wie dem Wunsch entspringt, an ihren Mädchenträumen festzuhalten. Gesine war bisher für mich eine eher taffe, sehr überlegte Frau, aber mit dem heutigen Eintrag bekommt sie so eine Art Kante, die zwar noch nicht zum Kopfschütteln führt, aber ich gehe mal einen Schritt zurück.

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