Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Donnerstag, 15. Dezember 2011

15. Dezember 1967


Interessante Frage von Marie: „Ich werde jetzt mal nachsehen, woher du deine Vergangenheit hast.“ Es wird dann doch nicht so tiefsinnig, wie diese Aussage impliziert. Es entwickelt sich nämlich ein Spiel, in dem Marie überprüft, ob Gesine wirklich von ihrer Kindheit spricht, oder nicht Maries Kindheit als ihre ausgibt. Tut sie jedenfalls nicht. Und so erfahren wir, dass Gesine eher ein Papa-Kind war und es will auch den Anschein haben, dass Cresspahl für sie ein gutes Händchen hatte, im Gegensatz zu Lisbeth. Aber das ist ja oft so, dass die Töchter besser mit den Vätern und die Söhne besser mit den Müttern können. Und wir wissen nun, das beide im Alter von drei Jahren Zeitung gelesen haben – zumindest taten sie so. Aber die Frage, woher man seine Vergangenheit hat, ist schon spannend. Im ersten Moment ist das eine doofe Frage, man hat sie halt, will man antworten, aber vergleicht man ein Ereignis von, sagen wir mal, zehn Jahren mit anderen ab, die auch dabei waren, so erzählt jeder eine andere Geschichte, hat eine andere Vergangenheit. Man bastelt sich das schon arg zurecht, hat seine blinden Flecken, übertreibt, untertreibt, überhöht und verschönert. Das was war ist das, was man meint und nicht das, was war.

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