Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 5. November 2011

5. November 1967


Erinnerung an Marjorie – was für ein Name! – die Gesine und Marie letztes Jahr auf der Straße kennen gelernt habe. Sie ist „schon sechzehn Jahre lang richtig gewachsen“ und, um es abzukürzen, etwas exaltiert, etwas eigen, etwas sonderlich. Mal abwarten, ob sie nochmals auftaucht.

Freitag, 4. November 2011

4. November 1967


„Bin ich verlässlich mit niemand auf der Welt verwandt?“ fragt Marie auf der üblichen Ferry-Tour Gesine. „Außer mit mit mir“, lautet die Antwort – und damit haben wir für heute das Thema des Eintrags. Denn weiter geht es mit Cresspahl in Jerchiow, der sich mit der Familie Papenbrock arrangieren muss. Mit Horst kommt er nach wie vor nicht gut aus, mit alten Papenbrock eigentlich auch nicht, denn da wird zu viel gesoffen. Hilde, die Schwester seiner Frau ist wieder zurück, weil ihr Mann sich wohl zu Grunde richtet (siehe 9. Oktober 1967), sie aber immerhin schwanger ist. „Sie wollte noch Kinder haben … sie wollte etwas ‚aus der Konkursmasse’ retten“ und macht Cresspahl ganz schön an – ihr wäre ein Seitensprung wohl ganz recht, nicht aber ihm, der von seiner Frau ferngehalten wird. Die liebe Verwandtschaft eben, die man sich nicht aussuchen kann, wenn man welche hat. Da ist Marie richtig gut dran. Auf die Antwort von Gesine erwidert sie: „Na ja, mit dir. Aber die anderen darf ich mir aussuchen.“

Donnerstag, 3. November 2011

3. November 1967


Heute klärt sich mal einiges – scheinbar zumindest. Es steht ja immer noch die Frage im Raum, wer erzählt denn eigentlich. Klar ist ja, dass es mindestens zwei sind. Die eine Person könnte Gesine sein – Beweise fehlt bisher – die andere Johnson, als der auktoriale Erzähler. Heute beginnt der Eintrag mit dem Bericht, das Uwe Johnson in New York vor dem Jewish American Congress einen Vortrag hält. Ein Schriftsteller verewigt sich in seinem Buch selbst – mag ich eigentlich gar nicht. Doch dann kommt, weiter hinten, eine Dialogpassage: „Wer erzählt hier eigentlich, Gesine. – Wir beide. Das hörst Du doch, Johnson.“ Zack, Vermutung bestätigt – wie das bei einem fiktiven Roman funktioniert, da denke ich noch darüber nach. Ansonsten Johnsons Auftritt vor dem Congress, er ein Deutscher, einer vom Tätervolk. 1967 war er 33 Jahre alt und lebte von 1966-1968 als Schulbuchlektor in New York. Es wird Zeit, dass ich mir mal seine Biographie näher anschaue – oder lasse ich es einfach? Mal sehen. Der Vortrag, gelinde gesagt, wird kein Erfolg, schwieriges Terrain als Deutscher, so richtig willkommen ist er auch nicht, es hapert etwas an Toleranz. Nachvollziehbar – aber besser so als gar nicht.

Mittwoch, 2. November 2011

2. November 1967

Gesine bekommt zur Geburt von ihrem Großvater einen Bauernhof am Stadtrand geschenkt. Bis zu ihrer Mündigkeit steht der natürlich unter der Verwaltung von Cresspahl. Und der ist so gar nicht darüber erfreut, heißt es doch in Deutschland zu bleiben. Das will er, im Gegensatz zu seiner Frau, nicht, auch wegen der Nazi nicht. Lisbeth sieht das alles lockerer, was die Nazis betrifft, und freut sich wohl über ihren geschickten Schachzug, denn das Geschenk war mehr oder weniger ihre Idee, um in Deutschland bleiben zu können. 

Dienstag, 1. November 2011

1. November 1967


Halloween, kann ich, ähnlich wie mit U-Bahnen, nur wenig anfangen. Mögen sie es in den USA begehen – hier hat es meiner Meinung nach nichts zu suchen. Wir müssen echt nicht alles den Amerikanern nachmachen, so hipp sind die schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Marie macht natürlich mit als 10-jährige. Eigentlich wollte sie ja eine eigenen Party schmeißen, aber dann hätte sie ja ihre farbige ‚Freundin’ Francine (siehe 25. Oktober) auch einladen müssen, also lässt sie sich von jemand anderem einladen – wo nur weiße Kinder hin dürfen. Gesine entgeht das nicht und sie fühlt Marie auf den Zahn. „Ich weiß nicht, warum ich das getan habe“ versucht sie Marie zu verteidigen. Gesine darauf: „Soll ich versuchen, es zu sagen?“ und die beängstigende Marie antwortet: „Nein. Dann würde ich es für die Wahrheit halten.“

Montag, 31. Oktober 2011

31. Oktober 1967


Zwei Tage zuvor hatten wir es von Pastor Methling, heute ist der neue dran, Pastor Brüshaver. Lange nicht das Kaliber wie Methling, viel ruhiger, bescheidener, vor allem leiser und unsichtbarer. „Allerdings hieß es, Sterben bei ihm sei angenehm:“ Cresspahl ist immer noch dabei, Gesine beim Standesamt anzumelden und für eine kirchliche Taufe zu sorgen. Jetzt hat er es endlich geschafft. 12. März – wir schreiben gerade März 1933 – wird getauft und dann sehen wir weiter. Ansonsten wieder die gute alte NYT, ohne die ich bald auch nicht mehr auskomme. Heute u.a. über die Verurteilung zweier SS-Offiziere wegen Beihilfe zu Mord an in neun bzw. drei Fällen in ihren Lagern – alleine in Mauthausen (und seinen Nebenlagern) kamen 120.000 Menschen um.

Sonntag, 30. Oktober 2011

30. Oktober 1967


U-Bahn-Impressionen. Wenig spannend. Fahre so ungern U-Bahn.