Man – Johnson? Gesine? – schwadroniert etwas
über Maries Kindheit so ohne Vater und mit einer Mutter, die viel arbeitet. Über
die Absprachen und Versprechungen die Gesine ihr macht, über die wachsende
Selbstständigkeit Maries. Ich verkürz es heute einfach: Halt über das, was eine
alleinerziehenden Mutter mit ihrem Kind (und das Kind mit ihr) zu bewältigen
hat.
Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.
In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.
Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten
Samstag, 21. April 2012
Freitag, 20. April 2012
20. April 1968
Zugegeben, ich bin ja so ein Statistik-Fan. Aber
auf die Idee alle (offenen) Gewässer zu zählen, in denen ich schon mal
schwimmen war? Gesine kommt auf 18. Und ich? 1. Adria, 2. Bodensee, 3. Buga-See,
4.Flückigersee, 5. In irgend so einem polnischen See, keine Ahnung wie der heißt,
6. Lago di Bracciano, 7. Ligurisches Meer, 8. Nordsee, 9. Ostsee, 10. Rhein,
11. Schwaltenweiher, 12. Titisee … mehr fällt mir gerade auf die Schnell nicht
ein.
Donnerstag, 19. April 2012
19. April 1968
Stimmungsberichte. Und – Ende des zweiten Bandes. Aber die Hälfte der erzählten Zeit ist schon lange um. Das bedeutet: Die Länge der Einträge in den nächsten beiden Bänden werden länger. Uff.
Mittwoch, 18. April 2012
18. April 1968
Der Chef von Gesine, de Rosny, lädt sie und
Marie zu einem Baseballspiel ein. Derweil macht er Geschäfte. Netter Satz: „Die
meisten Spieler bewegen sie wich mit vollen Hosen.“
Dienstag, 17. April 2012
17. April 1968
Trotz oder wegen seiner Nüchternheit eine
brutaler Eintrag. Im Juni 1945 haben sich die Alliierten geeinigt, wer welchen
Teil von Deutschland unter sich hat. Jerichow wird den Russen zugeschlagen, die
Briten rücken ab. Aber kaum einer zieht mit ihnen gegen Westen. Der alte
Papenbrock aus Stolz, weil er keinen Pferdewagen mehr hat beispielsweise. Pastor
Brüshaver, der dem KZ entkommen ist, denkt an die Sonntagspredigt. Und als die
Russen dann kommen, beginnt das große Sterben. Schneider Pahl, der nicht als
Flüchtling leben will, ertränkt sich mit der Familie. Dr. Berlin, der Arzt,
vergiftet sich mit Tabletten und von Alexander Paepcke, dessen Familie schon
umgekommen ist, kommt ein Brief. Darin bittet er Cresspahl, sich um seinen
Familie zu kümmern wenn er sterben sollte. „Um die Blutflecken auf dem Brief
herum war von einem Franzosen geschrieben, der Inhaber sei am 29. September
1944 gestorben, aber nicht, wo er begraben ist.“ Ich war vor drei Woche zum
ersten Mal auf einem englischen und russischen Soldatenfriedhof hier. Bin mir
auch nicht sicher, ob die russischen Familien alle Nachricht bekommen hat. Und
so wie es aussieht, weiß man eh nicht genau, wer da begraben liegt. Bei dem
englischen Friedhof ist es ganz anders. Eineinhalbtausend Grabsteine mit Namen
und Alter. Und der wird mehrfach jährlich von englischen (!) Gärtner gepflegt. Und
warum ist Cresspahl nicht fort. „Er mochte nicht mit zwei typhuskranken Kindern
auf die Landstraße.“ Schicksale entscheiden sich selten unter großen Gesten.
Montag, 16. April 2012
16. April 1968
Die NYT macht sich etwas Sorgen über die
Unruhen in Westdeutschland, dass könnte den ostdeutschen Kommunisten in die
Hände spielen. Cresspahl als „ungelernter Bürgermeister“ wird von den Briten
mit Privilegien ausgestatt – er hat u.a. Strom. Gesine liegt derweil mit Typhus
im Bett, ihr fallen die Haare aus. Ein Mädchen liegt neben ihr im Bett, deren
Geschichte wird über mehrere Zeiten erzählt. Ich gebe sie nicht wieder, auch
wenn ich mir gut vorstellen kann, dass es Johnson einiges an Zeit gekostet
haben wird, sie zu schreiben, die Fakten zu prüfen, die Zeiten zu vergleichen.
Aber mir ist aufgefallen, dass die subjektiven Geschichten für den anderen
meist langweilig sind, wenn es nicht gewisse Berührungspunkte gibt. „Dass kenne
ich, als ich damals …“ Das Interesse am Anderen in seinem Sosein, in seiner individuellen
Gesamtheit, würde ich eher als Ausnahme bezeichnen wollen. Liest man darüber,
ist es spannend. Verständlicherweise ist die Anerkennung des Anderen nicht
jederzeit möglich, aber jedoch häufiger möglich als gedacht (und praktiziert).
Ich muss mich das ja auch selbst fragen. Warum gönne ich für Gesine, Marie,
Cresspahl und all die anderen soviel Zeit, während lebende, echte Personen um
mich sind, von denen ich noch längst nicht einmal die Hälfte weiß?
Sonntag, 15. April 2012
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