Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Montag, 16. April 2012

16. April 1968


Die NYT macht sich etwas Sorgen über die Unruhen in Westdeutschland, dass könnte den ostdeutschen Kommunisten in die Hände spielen. Cresspahl als „ungelernter Bürgermeister“ wird von den Briten mit Privilegien ausgestatt – er hat u.a. Strom. Gesine liegt derweil mit Typhus im Bett, ihr fallen die Haare aus. Ein Mädchen liegt neben ihr im Bett, deren Geschichte wird über mehrere Zeiten erzählt. Ich gebe sie nicht wieder, auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass es Johnson einiges an Zeit gekostet haben wird, sie zu schreiben, die Fakten zu prüfen, die Zeiten zu vergleichen. Aber mir ist aufgefallen, dass die subjektiven Geschichten für den anderen meist langweilig sind, wenn es nicht gewisse Berührungspunkte gibt. „Dass kenne ich, als ich damals …“ Das Interesse am Anderen in seinem Sosein, in seiner individuellen Gesamtheit, würde ich eher als Ausnahme bezeichnen wollen. Liest man darüber, ist es spannend. Verständlicherweise ist die Anerkennung des Anderen nicht jederzeit möglich, aber jedoch häufiger möglich als gedacht (und praktiziert). Ich muss mich das ja auch selbst fragen. Warum gönne ich für Gesine, Marie, Cresspahl und all die anderen soviel Zeit, während lebende, echte Personen um mich sind, von denen ich noch längst nicht einmal die Hälfte weiß?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen