Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Montag, 20. August 2012

20. August 1968


Wer dachte, im letzten Eintrag würde Johonson zu einem großen Finale ausholen - Gesine sinkt D.E. in die Arme oder so - der wird enttäuscht. Zwar finden wir nur Gesine und Marie an der dänischen Küste - aber statt dort auf D.E. zu treffen oder irgendetwas gaanz kluges zu sagen, treffen sie Kliefohrt, Gesines alten Englischlehrer. Man begegnet sich mich Achtung. Man erkundigt sich, was vorgefallen ist, was auf der Beerdigung Cresspahls gesprochen wurde - "Unfug" ... . "Geschichte ist ein Entwurf" meint Kliefohrt und Gesine antwortet: "Wie es uns ergeht, haben wir aufgeschrieben bis zu unserer Arbeit in Prag, 1875 Seiten." Nun, in der Suhrkampausgabe steht das auf Seite 1891 - egal. Ja, Geschichte ist ein Entwurf - einer, den man aber nicht verwerfen kann. Und damit enden die "Jahrestage" von Johnson - unspektakulär, ruhig, eben so wie immer. 

***

Eine persönliche Schlussbemerkung sei mir erlaubt.

Und was hat das Ganze nun gebracht? OK, die, die mitgelesen haben, haben eine recht ausführliche Inhaltsangabe der „Jahrestage“ (gibt’s ab heute bei mir auch als pdf, äh, eher nächste Woche, mein großer Computer ist kaputt gegangen, hoffentlich wird man ihn reparieren können und wenn das der Fall ist und die Daten nicht abgerauscht sind ...) aber sonst? Ganz ehrlich: So gut wie nichts. Ich war eigentlich davon ausgegangen, bzw. ich habe es inständig gehofft, dass ich mit den einzelnen Einträgen mehr anfangen könnte, dass es mehr Berührungspunkte mit mir gäbe. Die Hoffnung war, im allerbesten Fall dem Leben von Gesine, Marie und den anderen meines quasi daneben zu stellen, wenn vielleicht auch nicht komplett, so doch hin und wieder. Oder in einen Art ‚Dialog’ mit einer der Figuren zu kommen, oder ähnliche Erlebnisse / Ereignisse parallel zu erleben, oder ... Und wenn es in den Alltäglichkeiten auch Parallelen gab – funktioniert hat es jedenfalls nicht, ganz und gar nicht. Sind die Welten von 1967/68 und 2011/12 so vollkommen anders oder – bis auf die politischen Ereignisse – so ähnlich? Sind 1967/68 ein Zeit, die erst noch ‚reifen’ muss, damit man sich an ihr ‚reiben’ kann? Ist Nazi-Deutschland schon so weit weg, dass ein Bezug nur schwer aufzubringen ist? Ist selbst die DDR jetzt schon ein Fußnote der Geschichte? Ich kann es mir bisher nicht erklären, warum von meinen Vorstellungen nichts aufgegangen ist – aber bevor ich jetzt Johnson die Schuld gebe: So ein Projekt ohne vorheriger Kenntnisse der Materie ist ein Wagnis. Wer wagt gewinnt – und sei es auch nur die Erkenntnis, dass es eben nicht funktioniert. Immerhin: Aus den wenigen Rückmeldungen kann ich dann doch ersehen, dass Anteil genommen wurde an Gesine, Marie und den anderen. Und ich, ich kann nun behaupten, die „Jahrestage“ gelesen zu haben, kann mit mir zufrieden sein, bis auf die drei Wochen Urlaub und an einer einzigen anderen Stelle für drei Tage, wirklich jeden Tag gelesen und geschrieben zu haben. Und auch wenn dieses Lese-Projekt gründlich daneben gegangen ist: unter geänderten Bedingungen und einem Text, der online verfügbar ist, könnte ich mir das mal wieder vorstellen – aber nicht mehr dieses Jahr.

Sonntag, 19. August 2012

19. August 1968

Der vorletzte Eintrag. Johnson reißt die Jahre, die Gesine in NY ist ab. Jetzt wissen wir auch, warum sie bei der ersten Stelle gekündigt wurde: Sie hat einer Kundin Aktien nicht verkaufen wollen, weil die schlecht waren. Später wird sie eben Fremdsprachensekretärin, aber das wissen wir ja von Anfang an. Ansonsten Kleinigkeiten aus den vergangenen Jahren, wie das halt so ist, wenn man die letzten acht Jahre auf wenigen Seiten berichten will. Koffer nach Prag werden aufgegeben - aber die Wohnung werden sie dennoch halten.

Samstag, 18. August 2012

18. August 1968

Scheint Johnson gestern vergessen zu haben: " Cressphals Tochter lebte in New York, als er starb im Herbst 1962." Ansonsten: "Ein arbeitsfreier Tag. An dem Marie eine Gesellschaft geben will für Kinder, zum Abschied."

Freitag, 17. August 2012

17. August 1968

Johnson will - auch - zum Ende kommen. Also beeilt er sich, um den Kreis zu schließen und in einem Gewaltritt werden die entscheidenden Jahre von Gesine referiert. Von Belrin geht sie nach Frankfurt, will dort Anglistik studieren, ist aber zu teuer. Also Dolmetscherschule und viele Nebenjobs, um sich über Wasser zu halten, einige Entsagungen. Dann hat sie eine Anstellung in Düsseldorf, Jakob kommt sie dort regelmäßig besuchen - und irgendwann wird Marie auch gezeugt, aber Jakob stirbt bei einem Arbeitsunfall. Cresspahl besucht hin und wieder Tochter und Enkelin. Das Geld, was er in England auf der Bank hat, vermacht er Marie: "Für fünf Jahre Studium langt es." Gesine macht eine Banklehre, der Folgen wir ja kennen. Dazu deutsche Nachkriegswirklichkeiten und - wenn ich es richtig verstanden habe - ein böses Portrait von Franz Josef Strauß. Ach ja, Gesine bekommt zu ihrer Volljährigkeit noch ein Geschenk vom längst verstorbenen Anwalt Kollmorgen - Trauringe. Die hat sie jetzt für Marie vorgesehen. Und Marie hat neben Gesine einen weiteren "Vormund" (ich vermute, dass sollte eher Testamentsvollstrecker heißen, aber das ist vieleicht damals anderes gewesen?, jedenfalls Anita ist das. D.E. wäre ihr lieber gewesen. Das ganze - zum letzten Mal - auf der South Ferry und mit der Erleichterung nach der langen Erzählung Marie: "In New York wurde ich vier. endlich sind wir angekommen, wo meine Erinnung Bescheid weiß. Welcome home!"

Donnerstag, 16. August 2012

16. August 1968


Gesine und Marie verlängern spontan ihren Kurzurlaub, weiter geht es nach New Orleans. Ansonsten ausführlicher Bericht über die Situation im Juni 1953. In dem Jahr zumindest hat Gesine 'rübergemacht'. Dein 'Einbürgerung' ist ein amtlicher Hürdenlauf - es klappt dann aber doch. Da - schon!, hätte ich nicht gedacht - lernt sie D.E. kennen, von dem es heute keine kryptischen Nachrichten gab, wie denn auch.

Mittwoch, 15. August 2012

15. August 1968

"Zur Eingewöhnung in den Abschied" - das ist wohl das Motto der letzten Tage. Marie und Gesine auf dem Weg nach San Francisco, zu Hause klinget nämlich immer noch dauernd das Telefon wg. D.E. Und schätzungsweise geht es für Gesine ja bald nach Prag - auch wenn wir das nicht mehr mitbekommen werden. Abschied auch, wenn dann zurückliegend, aus Jerichwo, denn Gesine beginnt in Halle zu studieren. Ausführlicher Bericht, wie Komilitionen versuchen sie auszuspionieren, ihre Gesinnung prüfen wollen: "da machte ich dem Spiel ein Ende, der Aushorchung vermittels beantragter Liebe." Jakob, der jetzt bei der deutschen Eisenbahn ist, kommt sie hin und wieder besuchen. Und dann noch eine lange, lange Geschichte aus Jerichow wegen einem Pferd und Betrug und was weiß ich ... Ach ja, Gesine gibt an sie könne gut schießen, Marie glaubt ihr das nicht. In San Fransicso angekommen gibt es Gelegenheit mit einem Luftgewehr zu schießen: "Geht die Dame hin, nimmt ein Gewehr, nach zehn Schüssen eine Weckeruhr sich verdient, den Hauptpreis. Klatschen Beifall, neidlos, die Zuschauer."

Dienstag, 14. August 2012

14. August 1968


Es gibt kaum etwas, was mich mehr langweilt, als Schulgeschichten der anderen! Da höre ich nur aus Höflichkeit zu und versuche so schnell das Thema zu wechseln – oder spreche selbst stundenlang von meinen Schulerfahrungen (und langweile damit die anderen – so wie sie mich davor – tödlich). Und so heute eben der Eintrag. Abiturszeit von Gesine und sonstige Schulgeschichten – *gähn*. Die Lehrer als Trottel und das übliche aus diesem Genre, dann noch die guten Noten von Gesine (die ich nie hatte) und fertig ist der unbeliebteste Eintrag nach 1.826 Seiten bzw. nach 359 Tagen – in sechs Tagen ist nämlich Schluss.

Montag, 13. August 2012

13. August 1968


Gesine und Marie sind gestern nach Chicago geflogen, fliehen quasi vor den Telefonanrufen von „unbekannten Männern“, die „dringlich fragen nach einer Vermißten Person“ – damit ist ja wohl D.E. gemeint der telegarfierte: „SELBER ZU SCHREIBEN UNFÄHIG – ERITZION.“ Ansonsten etwas über die Zeit von Jakob bei der tschechischen Bahn. Ich geb’ zu, hat mich nicht so interessiert.

Sonntag, 12. August 2012

12. August 1968


Langer, langer Eintrag über das willkürliche Justizsystem 1951 im Osten. Gesine kommt für zehn Tage in Haft, warum, wird nicht klar.

Samstag, 11. August 2012

11. August 1968


Harter Tobak heute, finde ich. Jedenfalls hauen die kurzen Erzählungen von Rebecca Ferwalter, der Nachbarin, total rein. Eigentlich treffen sie Marie und Gesine ‚nur’ mit ihr um das „Koschere am Speisezettel“ zu besprechen, weil Marie noch eine „Kinder-Gesellschaft“ geben will, „jedoch ohne daß es hieße: zum Abschied“. Ferwalter will „Passovergebäck“ beisteuern und in dem Zusammenhang erzählt sie aus ihrer Zeit in Auschwitz und Mauthausen. Wenn man das liest und es sich vorstellt, ist es schon grausam genug finde ich (aber wer will sich dass den schon wirklich vorstellen?). Aber bei solchen Beschreibungen muss ich sofort an Martha denken, die zwar nicht in Auschwitz war, aber dafür fünf Jahre in Ravensbrück, und die ich Stund um Stund befragte und die mir Stund um Stund antwortete, erzählte und berichtete. Und manchmal weiß ich nicht, was die größere Leistung ist: Ravensbrück überleben oder danach nochmals mit einem Deutschen zu reden, ihn als Gast auf das herzlichste zu begrüßen, für ihn zu kochen, ihm alle Erdenkliche Annehmlichkeiten und Vorzüge zukommen zu lassen, ihn nicht nur in die Arme sondern auch ins Herz zu schließen?

Freitag, 10. August 2012

10. August 1968


Wieder Nachrichten aus der Schulzeit Gesines. Interessanter dagegen der letzte Absatz: „Zu Hause am Riverside Drive wartet das tägliche Telegramm aus Helsinki. Heute lautet es: Patient ist für eine Weile verhindert am Autofahren. Unterschrieben. Eritzen.“ Und so was gab es auch schon vor zwei Tagen. Da hieß es, D.E. hätte einen Unfall gebaut, ebenfalls von ‚Eritzen’ unterschrieben. Also doch nicht tot? Alles nur fingiert?

Donnerstag, 9. August 2012

9. August 1968


Annie und ihre drei Kinder, die sich vor ein paar Monaten wegen Vietnam von ihrem Mann getrennt hatte, ist aus der finnischen Kleinstadt wieder zurück, trifft sich mit Gesine, bevor sie sich wieder ihrem „angetrauten Mann heulend an die Brust“ wirft. Nun gut. Dann ein langer Bericht von Anita, wie es in Jerichow derzeit aussieht. So wie früher und doch ganz anders.

Mittwoch, 8. August 2012

8. August 1968


„Eine Todesnachricht überbringen.“ Gesine fährt zu D.E.’s Mutter. Bei der waren schon zwei, die das Arbeitszimmer durchsuchen wollten. „Sie sitzt [die Mutter] wie bereit für eine Hinrichtung. Es folgt der Schlag, das Knicken im Nacken, das Absacken des Körpers, der ihn verkleinert. Und was dann? Dann schwenkt Johnson um und Robert Pius Pagenkopf ist ausführliches Thema. Um es kurz zu machen: Er meldet sich 1951 zur Armee, wird Pilot, wird später von den Russen übernommen und stirbt 1964 bei einem Absturz. Er und Gesine haben die Verbindung nie abreißen lassen, „rostfrei“ war die alte Freundschaft. Derweil erfahren wir: „1953 nahm Gesine Cresspahl Wohnung im Hessischen, im Westen“, wechselt irgendwann nach Düsseldorf, macht dort eine Banklehre, wird nach den USA zur Weiterbildung „spediert“, ist in der Zwischenzeit Mutter, verliert aber dort ihren Job, bleibt, wie wir sie jetzt kennen. Mich wundert schon, dass Trauer kein Thema ist. Oder ist das alles nur ein literarischer Scherz?

Dienstag, 7. August 2012

7. August 1968


Marie weiß vom Todesfall noch nix. Gesines Büro wird umgebaut, sie bekommt frei, will aber ihren Chef sprechen, der hat keine Zeit. Nochmals ein Telefonat mit Anita, Gesine bezeichnet sich selbst als „doppelte Witwe, die von ihren Beerdigungen beide verpasst“. Die gestern gekauften Koffer kommen. Und dann – eigentlich unglaublich – ein langes Gespräch zwischen Mutter und Tochter, doch das Thema ist nicht D.E., sondern Gesines ersten Verehrer

Montag, 6. August 2012

6. August 1968


Hat er noch nicht gemacht, der Johnson, heute wird durchnummeriert und es wird dramatisch: I. Gesine bekommt verdammt zügig einen Scheck für das Gestohlene von letzter Woche und Bucht im bankeigenen Reisebüro einen Flug für zwei nach Kobenhagen, man will dort wohl Anita treffen, die rote. – II. Gesine beim Koffer kaufen, als sie den Scheck zückt, wird sie doof angeschaut. – III. Kleine Meldungen aus der NYT. – IV. Gesine soll jemand in New York anrufen, – V. „Wer eine Reise unternimmt, er soll seinen Letzten Willen hinterlassen.“ Und so erfahren wir: Maries Vater ist – Trommelwirbel –: Jakob Wilhelm Joachim Abs! Wer hat das nicht geahnt? – VI. Gesine bei einem Hr. Josephberg, den sie anrufen sollte, dringend! Der überbringt ihr die Nachricht, das D.E. am Samstag in Finnland abgestürzt ist – tot! Die Regierung hat verhindert, dass es bekannt wird. Sie wird Alleinerbin. – VII. Gesine zieht sich in ihr Büro zurück, Erinnerungen. – VIII. Anita ruft kurz an. – VIII. Kurzes, englisches Gespräch zwischen Fr. Erichson und wem?. – X. Gesine nimmt eine Sendung auf: „D.E. hat uns gebeten, das für ihn auf Band zu nehmen, wie werden wir denn das vergessen.“

Sonntag, 5. August 2012

5. August 1968


Langer Eintrag mal wieder und einer, den ich nur schwer einordnen kann. Dieter Lockenvitz ist Thema, auch ein Schulkamerad von Gesine und Pius, den sie in ihre „Arbeitsgemeinschaft“ einladen. Wenn ich das richtig verstehe, aber nur zum lernen, so richtig befreunden tun sich beide nicht mit ihm. Lockenvitz ist nicht doof in der Birne, will mal Lateinlehrer werden (nun ja) und ist wohl auch nicht wirklich staatstreu. Das liegt aber wohl in der Familie. Gesine weiß zwar noch einiges über ihn und seine Familie, bemerkt aber am Ende: „... dies ist alles, was ich von Dieter Lockenvitz zu wissen glaube.“

Samstag, 4. August 2012

4. August 1968


‚Schauprozess’ in der Schule. Anders kann ich diese Verhandlung gegen die zwei Jugendliche Sieboldt und Gollantz nicht nennen. Wieder die üblichen Anklagepunkte wegen „verschwörerischer Besuche in Westberlin“. Wenn man das so heute liest, greift man sich wirklich an den Kopf, wie verbohrt und total verängstigt die gewesen sein müssen. Die DDR-Führung wusste wohl schon von Beginn an, dass ihnen nichts gelingen wird, wenn sie nicht mit Macht und Gewalt es durchdrücken. 25 Jahren bekommen die beiden aufgebürdet – haben dann ‚Glück’ und werden nach fünf Jahren von den Westdeutschen freigekauft. Fünf Jahre Knast mit 19 oder 20 für einen Besuch in Westberlin! Ich hab erst letztens mit einem gesprochen, der war mit 20 Jahre für drei Jahre in Bautzen. Jetzt ist der 51 und hat immer noch Alpträume.

Freitag, 3. August 2012

3. August 1968


Dies & das. Kann das jetzt noch für den Rest wichtig werden? Ich vermute mal kaum.

Donnerstag, 2. August 2012

2. August 1968


Man liest in der Schule „Schach von Wuthenow“ von Theodor Fontane. Der Lehrer Wesrich finde ich gar nicht mal so schlecht – den ganzen Eintrag dann aber doch langatmig. So eine Schülerbeobachtungsgedöhns. Liegt wohl daran, das ‚Schulzeit’ so überhaupt nicht mein Thema ist und ich seit dem Abitur froh bin, da nicht mehr hin zu müssen.

Mittwoch, 1. August 2012

1. August 1968


Über Gelbes in New York.

Dienstag, 31. Juli 2012

31. Juli 1968


Menge Personalnachrichten aus der Oberschule (1950/51), die wichtigste. Die Rektorin gibt’s nicht mehr, der neue heißt Dr. Eduard Kramritz. Dazu noch eine Menge Kleinzeugs aus Jerichow. Am interessantesten wohl das Frau Abs sich einen „Interzonenpaß“ besorgt, was dauert.

Montag, 30. Juli 2012

30. Juli 1968


Erster Schultag nach Pfingsten. Die Schule ist mit Plakaten zugepflastert, wie sich bald herausstellt, nicht offiziell, denn sie fragen, wohin die FDJ maschiert. Plötzlich ist die Staatssicherheit in der Schule und vernimmt jeden Schüler. Die Rektorin versucht ihnen eins auszuwischen, aber alle kommen irgendwie durch, niemand kann man etwas nachweisen. Gesine kommt als letztes dran und wird ganz schön in die Mangel genommen und unter Druck gesetzt. Aber auch ihr gelingt es, ‚staatstreu“ zu bleiben, so dass man ihr nichts anhängen kann, außer, dass sie in den falschen Klamotten rumläuft und eben nicht in FDJ-blau. Es bleibt aber auch offen, ob Gesine und ihre Truppe nun daran beteiligt waren oder nicht. Mies gelaufen für die Rektorin.

Sonntag, 29. Juli 2012

29. Juli 1968


Einbruch bei den Cresspahls. Die Polizei will erst nicht kommen, kommt aber doch, kann zwei Verdächtige festnehmen. Danach Spurensicherung: „Mittlerweile war der Mann mit dem Puder da und bepinselte die Fensterscheibe am Fußboden; weil Marie ihn beobachtete bei seinen Tätigkeiten, hätte er am liebsten das Fenster vollständig mitgenommen.“ Gestohlen u.a.: Reiseschreibmaschine, Radio, „sämtliche Tonbandkassetten, die ... angestanden hätten zum Versand an den Tresor eines Bankhauses in Düsseldorf“, Briefe, Kleingeld.

Samstag, 28. Juli 2012

28. Juli 1968


Weiter geht es mit Schulgeschichten. Gestern ging es um die neue Rektorin der Oberschule, Bettina Selbich. Die haben die Schüler auf dem Kieker, und als es mit ein FDJ-Abordnung nach Berlin geht, erwischt Pius, Klassenkamerad und Freund (also so normal halt) von Gesine, die Einhundertprozentige vor einem Schuhgeschäft in West-Berlin. Tztztz. Gesine bleibt zu Hause, hofft drauf, dass Jakob kommt. „Darauf gedachte diese Gesine zu warten in einem Liegestuhl an der Milchbank hinter dem Haus, und für Jakob zu tun, als lese sie für die Schule.“ Immer noch verliebt.

Freitag, 27. Juli 2012

27. Juli 1968


Ein beschwingtes, skurriles, lesenswertes, erheiterndes, liebenswertes Mutter-Tochter-Gespräch am Ferry-Tag. Ich kann nur empfehlen: selber lesen! (4. Band, S. 1.644-1.657, und um den einen kleinen Witz zu verstehen auch noch die letzten acht Zeilen des Vortageintrages, beginnend mit: „Damit Du Bescheid weißt ...“)

Donnerstag, 26. Juli 2012

26. Juli 1968


Gute Idee, dann aber doch etwas nervig. Gesine schreibt von der Arbeit aus auf einer Dienstmaschine einem gewissen „J.B.“ – und zwar so furchtbar kryptisch, dass es nichts zu berichten gibt, außer ich würde jetzt eine Vermutung an die andere reihen. Derweil, etwas arg selbstreferenziell begründet Gesine in dem langatmigen schweigen, warum sie all diese Geheimnisse macht / machen muss. Das erzählt ein kleinwenig von der Zeit, ist literarisch auch nicht schlecht umgesetzt – aber dann doch ein Tucken zu viel. Was im Gespräch mit Marie rauskommt. Es ist eine männliche Person, die Gesine auf einer Reise nach Prag, um dort Anita zu treffen, kennen gelernt hat und mit der sie auf einem öffentlichen Platz sang: „Marmor, Stein und Eisen bricht ...“.

Mittwoch, 25. Juli 2012

25. Juli 1968


„Vor Ende des Schuljahres 1949/1950 wurde Herr Dr. Julius Kliefort seines Amtes als Rektor der Fritz Reuter-Oberschule enthoben.“ Er hat halt nicht so funktioniert, wie es die Oberen gerne wollten. Durchaus skurril das Ganze.

Dienstag, 24. Juli 2012

24. Juli 1968


Anita ist jetzt schon Patin, von Brüshavers neuem Kind, einem Sohn, Alexander. Um zum ersten Geburtstag ein Geschenk machen zu können, verkauft sie ihr Rad. Jetzt ist es schon 1952: Abitur. Wohnt plötzlich in Westberlin, Karl-Marx-Straße (kenn’ ich). Und im Schweinsgalopp geht es heute durch die Zeit. Johnson berichtet fast zu jedem Geburtstag von Alexander, was der von Anita bekommt und zeichnet so eine DDR-Jugend. Anita selber ist Französin geworden (wie, erfahren wir nicht), eng mit Gesine befreundet, die inzwischen in den USA ist. Dass kann er, der Johnson, zusammenfassen, raffen – und dennoch die Welt an einem vorbeiziehen lassen. Und Alexander als er 18 ist, will nicht zur Armee, unternimmt einen Versuch der Republikflucht und kommt für drei Jahre ins Gefängnis. Derweil Anita nach wie vor abstreitet, als Fluchthelferin zu fungieren. Und noch was: Jakob stirbt bei einem Unfall. Der wievielte Tote ist das jetzt im Roman?

Montag, 23. Juli 2012

23. Juli 1968


Anita, Anita Gantilik, das ist das Thema des heutigen – wohl bisher längsten – Eintrages. Johnson hätte das ruhig auf zwei, drei Einträge verteilen können, wäre genauso spannend gewesen. Es wäre jetzt verdammt kompliziert, die verworrene Lebensgeschichte dieses Mädchens zusammenfassen zu wollen. Wir haben es jedenfalls mit einer zu tun, die weiß was sie will, die im Krieg einiges erlebt hat (Vergewaltigung), die nun mehr oder weniger für sich selbst sorgt und mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Schüchternheit daher kommt. Sie wird, soviel ist ja schon klar, sich bald mit Gesine befreunden, was dann anhalten wird. (Wir hatten die „rote Anita“ schon mal vor zehn, elf Monaten, da hatte sie Gesine einen Brief geschrieben (oder umgekehrt?).) Anita wird jedenfalls von den Russen unterstützt, hat deswegen ein Rad und kommt mit dem auch zur Schule, eineinhalb Stunden hin und eineinhalb Stunden zurück.

Sonntag, 22. Juli 2012

22. Juli 1968


Die Frau Pastor, Agathe Brüshaver, genannt Aggie, jetzt Frau eines Staatssekretärs für Kirchenfragen, mischt sich immer mehr in das Leben von Cresspahl ein. Jetzt sind also drei Frauen um ihn, Frau Abs, Gesine und eben Fr. Pastorin. Er lässt es sich gefallen, auch wenn die frühere Vertrautheit sich wohl nicht mehr herstellt. Sie tut aber auch wirklich sehr wichtig. Und bekommt auch noch ein Kind – von ihrem Mann natürlich.

Samstag, 21. Juli 2012

21. Juli 1968


Marie hat Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch dann mal. Und sie bedankt sich in einem langen Brief an die rote Anita für das Geschenk von ihr, ein Medaillon, in dem eine Uhr versteckt ist, so dass sie es auch in der Schule tragen kann. Dann die Auflistung anderer Geschenke (Briefpapier, Blumen, Modell des englischen Vorkriegsdaimler, Shakespeare, Kaugummi, Sparbuch …) Später geht es noch mit dem Sonntagskind auf einen Spaziergang und wie zufällig finden sich da dann auch noch Geschenke, eine Armband und einen Taschenrechner. Marie verrät Anita auch, dass Gesine und D.E. im Herbst, nach Prag heiraten wollen und berichtet, dass sie schon eine gemeinsame Wohnung gemietet haben, in der Marie so etwas wie ein Einliegerwohnung dann beziehen darf. Nicht schlecht für eine Elfjährige. Fete gibt es keine, denn sie kann Francine nicht finden – und das wäre die erste Gästin gewesen.

Freitag, 20. Juli 2012

20. Juli 1968


Pius und Gesine sind ein Paar. Und das wird nun auf mehreren Seiten sehr ausführlich und akribisch beschrieben. Von Vorteilen und von Nachteilen ist die Rede. Eigentlich Belanglosigkeiten – aber es ist die erste Liebe halt, da und da ist jeder Dreck wie Gold. Von der Umgebung wird das Paar akzeptiert, niemand hat was dagegen, niemand macht Stress. Und wer nun hofft – also ich schon etwas – dass Johnson sich mal hinreißen lässt, auch etwas über Intimitäten zu schreiben, der wird – erwartungsgemäß – enttäuscht: „Das ist doch Jacke wie Hose, was die tun, wenn sie allein sind! Das ist unser Paar.“

Donnerstag, 19. Juli 2012

19. Juli 1968

Gewitter in New York. So was aber auch!

Mittwoch, 18. Juli 2012

18. Juli 1968


Einführung von Pius Pagenkopf (= Pferdehaupt), bei dem Namen ein Kathole. Ein Jahr älter als Gesine, der Vater „mit leitender Funktion in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und hohem Amt in der mecklenburgischen Landesregierung“. Nicht, dass er sich an sie ranschmeißt, aber eines Tage steht er vor ihrer Tür, braucht angeblich in Mathematik Nachhilfe. Sie werden zwar kein Paar, aber wie es aussieht, dicke Freunde.

Dienstag, 17. Juli 2012

17. Juli 1968

Wenn ich das richtig verstehe, und meine Konzentration geht heute gegen Null, dann versucht Cresspahl beim Innungsmeister mal nachzuhorchen, ob es für ihn eine Chance auf Arbeit gibt, da er, wegen Gesines Weigerung, sie in Jerichow durchbringen will. Aussichten macht man ihm jedenfalls keine.

Montag, 16. Juli 2012

16. Juli 1968

Tja heute hat es dann halt mal Gesine erwischt. Volle Breitseite - ach die Arme. Musste in der Bank aufs Podium, wo regelmäßig verschiedene Mitarbeiter geehrte werden, leider wissen die nie vorher, ob sie geehrt werden. Nun ist überraschend Gesine dran. Man kennt es vielleicht. Lobreden, die einem die Schamesröte ins Gesicht steigen lässt, die Peinlichkeit, von sovielen fremden Leuten angestarrt zu werden und zu denken, das stimmt doch alles nicht. Na, da musste sie halt durch. Schadensersatz hat sie aber dann doch auch noch bekommen: einen Scheck über 800 Dollar.

Sonntag, 15. Juli 2012

15. Juli 1968


Nichts, was den Eintrag von gestern heute erhellen würde. Lise Wollenberg ist Thema, eine Schulfreundin von Gesine, da sie beide mit dem Zug in die Schule fahren müssen. Entweder befreundet in einem Abteil, oder verfeindet in zweien. Sie nehmen die erste Variante. Macht Johnson gut, wie er Lise schildert, wie er es auf wenigen Seiten versteht sie als ein fröhliches, liebenswertes Mädchen zu schildern, welches es versteht den Jungs den Kopf zu verdrehen und die eigenen Fahne in den Wind zu hängen. Kurz, sie ist sehr auf ihren Vorteil bedacht und so kommt es aus, dass die Freundschaft auseinander geht, als sie ein Zimmer in Gneez bezieht und nicht mehr mit dem Zug fahren muss. Leicht bösartig bzw. verletzt der Schluss: „Sie hatte ein Ziel vor Augen; sie ist heute eine Steuerberaterin im Sauerland, Bundesrepublik, Ihr Kleid [das hat sie Gesine geschenkt], gründes Organza mit eingewebten dicken Punkten, es hätte mir gestanden auf jenem Klassenfest, bei Geburtstagen: ich habe es nur anprobiert.“

Samstag, 14. Juli 2012

14. Juli 1968

Sommer 1948. Gesine soll weg und sollte "einverstanden" sein. Sie ist nicht mehr Kind, aber auch noch lange nicht erwachsen. Irgendwo dazwischen. Dass sie einen eigenen Willen hat, wissen wir - aber ist das ein kindischer Wille, ein erwachsener? Der Eintrag gibt nicht preis, ob sie wegkommt oder oder nicht. Es wird spekuliert, wie es in einem englischen Internat wäre. Er erzählt, wie sie die Deckung einer Stute mitbeobachtet und alle aufeinmal deswegen peinlich berührt sind. Ich gewöhne mich gerade nur schwer daran, dass Johnson einfach in letzter Zeit so nebulös bleibt, so, als würde ihm nichts mehr einfallen, als müsste er die Inhalte strecken.

Freitag, 13. Juli 2012

13. Juli 1968

Tag der South Ferry! Gesine schreibt in einem Brief an die Freundin Anita über D.E. Nix neues für uns. Irgendwie auch etwas nichtssagend fand ich.

Donnerstag, 12. Juli 2012

12. Juli 1968

Gesine sinniert über ihre Selbstgespräche mit Verstorbenen.

12. Juli 1968

Gesine sinniert über ihre Selbstgespräche mit Verstorbenen.

Mittwoch, 11. Juli 2012

11. Juli 1968


Die Lehrerinnen von Gesine machen sich ‚Sorgen’, denn Gesine ist wie ausgewechselt, fröhlich, nicht mehr ängstlich, nicht mehr trotzig sondern interessiert und selbstbewusst. Derweil sitzt Cresspahl zu Hause. Eigentlich soll er einen Betrieb für Holzbearbeitung treuhändisch verwalten – seinen eigenen, den man enteignet hat – aber leider sind alle Maschinen verschwunden. Und dann brennt auch noch die Werkstatt ab. Cresspahl ist es sich zufrieden. Dann noch Durcheinander bei der Währungsumstellung, das Geld wird abgewertet, jeder versucht zu retten, was zu retten ist.

Dienstag, 10. Juli 2012

10. Juli 1968


Gesine und Marie versuchen im Gespräch zu ergründen, aus welchen Gründen Cresspahl wohl eingesperrt worden war. „Spionage“, „Diversionsakte gegen Wirtschaft“ und „Nichtanzeigen von konterrevolutionären Verbrechen“ stehen zu Diskussion. Gesine erzählt von ihrer Schüchternheit gegenüber dem Vater, dem schlechten Gewissen, an einem Tanzkurs teilgenommen zu haben, während er vielleicht tot sein konnte. Aber Cresspahl nimmt alles gelasen hin, dankt Frau Abs und ihrem Sohn Jakob für die Zwischenerziehung seiner Tochter. Nur was Brüshaver angeht, legt er ein Machtwort ein. „Brüshaver blieb fast der Mund offen, als Cresspahls Tochter ihn als erste grüßte, und gehorsam.“ Und: Marie fragt wiederholt, warum sie nicht weg sind.

Montag, 9. Juli 2012

9. Juli 1968


Gesine muss, auf Anweisung ihres Chefs, einen Lügendetektortest über sich ergehen lassen. Sie ist wütend.

Sonntag, 8. Juli 2012

8. Juli 1968

Cresspahl ist wieder da! 'Endlich' hab' ich mir gedacht. Der ist mir wirklich nicht aus dem Kopf gegangen. Er liegt nun, im Mai 1948, in einem Wassertrog im Blumengarten von Johnny Schlegel. Schlegel versucht ihn auf den neusten Stand zu bringen - aber das Gespräch ist schleppend, eher einseitig. Cresspahl redet nicht viel. Schlegels Bursche versucht derweil die Klamotten von Cresspahl zu verbrennen und bekommt später die Aufgabe, Gesine zu holen. Die erkennt ihren Vater nur noch an der Stimme und fürchtet sich vor dem 'fremden Mann'.

Samstag, 7. Juli 2012

7. Juli 1968

Nichts Neues: Ein Loblied auf die Tante Times.

Freitag, 6. Juli 2012

6. Juli 1968


Nach langer Zeit mal wieder was aus der NYT. Ein längerer Teil über den Einfluss der ‚amerikanischen Kultur’ auf die Gesellschaft von Vietnam und die leicht skurrile Geschichte über das Photographieverbot in der U-Bahn von New York.

Donnerstag, 5. Juli 2012

5. Juli 1968


Wusste ich gar nicht: Der ehemalige Bundeskanzler Kiesinger war in leitender Funktion davor beim Außenministerium der Nazis beschäftigt, Abteilung Abhören. Ansonsten heute die recht flott geschriebene Lebensgeschichte von Emil Knoop, Sohn eines gneezer Kaufmanns für Kohle, Fuhrgeschäfte, Import und Export. Emil weiß um die Stellung seines Vaters und schlägt in der Jugend über die Strenge – der Vater wird’s mit einer Spende schon richten, so auch das Abitur. Geht dann zu den Nazis, wird Oberleutnant und kann aber 1945 den Briten weiß machen, dass er nur Parteibeiträge gezahlt habe – nix sonst. Und dann zieht er, nicht grün hinter den Ohren, ein neues Fuhrgeschäft auf, verdient prächtig daran, denn er besorgt auch den Sowjets alles, was sie brauchen. Ein Angeber vor dem Herrn, dennoch mit einem Stück weicher Seele, da er, wenn es ihm gerade passt, auch an andere denkt und sogar selbstlos sein kann. Eine schillernde Figur – doch ein paar Jahre später ist es mit der Herrlichkeit vorbei, die Russen verhaften ihn, er wächst ihnen wohl über den Kopf mit allen den Freiheiten, die er sich rausnimmt, die sie ihm gewähren müssen. Nennt man solche Leute nicht Kriegsgewinnler?

Mittwoch, 4. Juli 2012

4. Juli 1968


Inhaltlich ganz einfach. Gesine verbringt fünf Tage auf Fischland, in dem Haus, wo sie mit ihrem Onkel früher mehrfach Urlaub gemacht hat (und der, wie seine Familie, nun tot ist). Sie hilft dort mit, verdient sogar etwas Geld. Aber warum ist sie dort? Sie ist abgehauen von Jerichow. Und warum? Keine Ahnung. Also steht nicht im Text – jeder darf heute frei spekulieren. Am Ende noch Andeutungen, dass sie sich mit Selbstmordgedanken getragen hat. Aber eher so eine Anspielung – im Text selber konnte zumindest ich nichts erkennen.

Dienstag, 3. Juli 2012

3. Juli 1968

Der ein oder andere würde den Eintrag von heute wohl „süß“ nennen. Gesine erzählt, indirekt, vom Traumort der vierjährigen Marie, Cydamonoe genannt. Das ist ein Ort nach dem Motto „Gebt den Kindern das Kommando“. Aber dieser Ort gehört Marie, ihr alleine, sonst niemandem. Jeder Erzählung darüber ist so etwas wie Verrat, ein Art Angriff, ein Raubversuch, eine Zerstörung. Und mögen vielleicht manche es „süß“ nennen, einen Trost gibt es: Sie werden den Ort nie verstehen, nie sehen, nie erleben, nie nachempfinden können, nie fühlen, riechen, schmecken … . Und so wird mein „Feuerwehrauto“ immer meins bleiben, aber das wusste ich irgendwie schon früh, denn es hat nie jemand wirklich verstanden, also blieb ich alleine damit, was mir manchmal schwer fiel, aber jetzt, nach Jahren ist mein Schatz, den mir niemand mehr nehmen kann – und, jetzt muss halt Wowi erhalten, das ist gut so

Montag, 2. Juli 2012

2. Juli 1968


Gesine hat im Frühjahr 1947 begonnen Tagebuch zu schreiben. Aber jetzt nicht so im klassischen Sinne, sondern sie hat nur Stichworte notiert, teilweise auf russisch, teilweise deutsch in kyrillischer Schrift. Johnson müht sich nun ab, die zu entschlüsseln – natürlich im Auftrag von Gesine, denn die „Jahrestage“ definiert er wie folgt: „Wie dies [ein Tagebuch] keins ist, aus anderen Gründen: hier macht ein Schreiber in ihrem [gemeint ist Gesine] Auftrag für jeden Tag einen Eintrag an ihrer Statt, mit ihrer Erlaubnis, nicht jedoch für den täglichen Tag.“ Aber das mit dem Entschlüsseln ist halt so eine Sache, denn es ist unecht. Entweder kann man sich dann einfach Phantasiegeschichten ausdenken, oder man hat Vorkenntnisse. Und die hat halt nun mal Johnson, so dass dieser Eintrag schriftstellerisch gesehen wenig gelungen ist. Viele Kleinigkeiten – und natürlich weiß ich mal wieder nicht, welche für den Verlauf noch ggf. wichtig werden könnte. Einzig und allein heute spannend. Robert Papenbrock taucht plötzlich wieder bei Gesine und den Abs auf – sie scheint dann doch nicht nach Gneez gezogen zu sein, das Thema wurde jedenfalls bisher nicht mehr aufgegriffen. Sie sieht ihn, er fragt „Na du?“ und sie: „Raus“. Aber das ist nun auch nicht wirklich verwunderlich, es ist im Grunde nur die Wiederholung des selben Themas, denn wir wissen bereits ausführlich, dass sie eine ‚böse’ und eine ‚gute’ Welt hat, dass ihr schizoider Anteil jedenfalls sehr ausgeprägt ist. Und Jakob Abs respektiert diesen Rausschmiss: „Das war das einzige Mal, da sorgte Jakob dafür, daß der Gast ein wenig hinfiel, mit dem Gesicht auf die scharfe Schwelle hinter der Tür.“ Von Cresspahl immer noch nichts Neues.

Sonntag, 1. Juli 2012

1. Juli 1968


Manchmal nervt Johnson. Und zwar immer dann, wenn er quasi langatmig etwas vorbereitet – was dann aber gar nicht kommt. So heute. Langer Eintrag mal wieder – aber das wird sich im vierten Band wohl auch nicht  mehr ändern, es sind noch ca. 400 Seiten bis zum 20. August. Geschäftliches Mittagessen mit dem Vizepräsident hat Gesine zu überstehen. Interessant wird es aber erst am Ende, als er mit in ihr Büro geht, sich dafür bedankt, dass sie demnächst für ein Vierte Jahr nach Prag geht. Dann fragt er, ob sie noch etwas tun würde. Und hier wird es nur geheimnisvoll. Aber keine Andeutung was es soll. Doch irgendwie latente Drohung, wenn sie es nicht macht, ist sie ihren Job los und wird auch keinen neuen mehr bekommen, mal abgesehen von der Arbeitserlaubnis (also ist Gesine keine amerikanische Staatsbürgerin – ich war interessanterweise in der Zwischenzeit davon ausgegangen). Sie sagt zu – zu was, keine Ahnung.

Samstag, 30. Juni 2012

30. Juni 1968


Wir bleiben im Jahr 1947. Gesine nimmt Tanzstunden – das gibt’s heute immer noch – fliegt aber aus dem Konfirmationsunterricht nach zwei Stunden raus, was jetzt so niemanden wirklich überraschen dürfte. Ansonsten, wie sich manche an die Sowjets schmeißen, anderen Abstand wahren. Und, wie so oft bei Johnson: ein bunter Reigen an Eitelkeiten.

Freitag, 29. Juni 2012

29. Juni 1968


Gesine ist und bleibt als Kind so etwas wie starrköpfig. Lässt sich einen neuen Mantel machen und setzt, wenn auch nicht vollständig, ihre Vorgaben gegenüber der Schneiderin durch. Langer Bericht, wie sie sich durch den Schulalltag schlägt.

Donnerstag, 28. Juni 2012

28. Juni 1968


Offener Brief von fast „siebzig [tschechoslowakischen] Autoren, Bauern, Technikern, Ärzten, Wissenschaftlern, Philosophen, Sportler, Künstlern“ an die kommunistische Partei mit dem Aufruf von Reformen, hin zum Sozialismus. Gesine verfolgt die Reaktionen.

Mittwoch, 27. Juni 2012

27. Juni 1968


Gesine, 13-jährig im Herbst 1946, zieht nach Gneez um, in die Kreisstadt. Ausführliche Beschreibung der Stadt. Aber wo kommt sie unter? In das „Sammelkinderheim“? Es gibt Interzonenpässe, die ersten ‚machen rüber’, was die Wohnraumsituation entspannt.

Dienstag, 26. Juni 2012

26. Juni 1968


Nach langer Zeit mal wieder eine neue Person: Ginny Carpenter aus der Nachbarschaft. Reich, engagiert in tausend Dingen, Schwarzen-Hasserin. Marie geht oft zu ihr, auch um nachzuprüfen wie das ist „Leben mit einem Vater“, ansonsten um Fernsehen zu schauen. Carpenter will mehr als nur eine Nachbarin sein, „Freunde eben“, aber das scheint nicht zu funktionieren, denn Gesine kann mit ihr nicht wirklich. Es ist eher Pflicht. Am Ende des Eintrages Dialog zwischen Gesine und Johnson, der ihr durch diese Schilderung den Abschied von New York leichter machen will, denn Gesine muss wohl bald für drei Wochen beruflich nach Prag. (Das hab’ ich eh die ganze Zeit unterschlagen, all die politischen Nachrichten aus der Tschechoslowakei. Was ich nicht unterschlagen habe sind die Nachrichten aus der NYT – die gibt es schon seit längerem nicht mehr.)

Montag, 25. Juni 2012

25. Juni 1968


„Die Wahlen zum mecklenburgischen Landtag vom 20. Oktober 1956 zeitigten drei Ergebnisse.“ 1. Die Familien der Mitarbeiter, die in den Arado-Werken – ein Kriegsbetrieb der Sonderstufe – werden in die Sowjetunion ‚verbracht’, genauso wie das gesamte Werke – Reparationszahlung. 2. Dadurch bekommt die Volkszählung einen Knick, denn es werden noch ein paar andere Familien aus ähnlichen Gründen ‚verbracht’. 3. Der Landrat von Gneez verbringt wegen der Pistolengeschichte anderthalb Tage im Gefängnis.

Sonntag, 24. Juni 2012

24. Juni 1968


Der Wahlkampfleiter ist einen Tag vor den Landtagswahlen in Mecklenburg zu Gast, er will eine Rede halten. Freundlich ist er nicht gerade angekündigt worden und als er sich bei den beiden Kommandanten beschweren will, wollen die von ihm gar nichts wissen und nehmen ihm erst einmal die Pistole hat, die er verbotenerweise trägt. Da hilft auch kein protestieren, da hilft ihm sein russisch auch nix. Er kann dann doch die Rede halten – aber niemand reagiert großartig. Und schließlich ergreift noch Bürgermeister Alfred Bienmüller das Wort – nicht gerade das, was sich die Einheitspartei als Rede vorgestellt hat. Dennoch, die S.E.D. gewinnt in Jerichow 70 Prozent der Stimmen, mehr als im Landesdurchschnitt.

Samstag, 23. Juni 2012

23. Juni 1968


Auf der Suche nach einem Sommercamp für Marie. Sie nimmt das preisgünstigste.

Freitag, 22. Juni 2012

22. Juni 1968


Gesine, so befinden Jakob und ihre Mutter, hat „Nücken“ im Kopf. Den Ausdruck habe ich echt noch nie gehört. An zwei Dingen lässt sich das festmachen. Erstens: Sie, das dreizehnjährige Mädchen, grüßt nicht mehr jeden – und da ist sie furchtbar konsequent. Pastor Brüshaver ist einer davon, der für sie nun Luft ist – selbst wenn er zuerst grüßt. Die Begründung: Er macht Politik mit den Sowjets und die halten ihren Vater ja nach wie vor gefangen. Zweitens – und das verwundert – will sie ab nun wissen, welchen Schwarzhandel Jakob mit wem durchführt. Er muss ihr ab nun alle Pläne vorlegen und ohne ihr O.K. geht gar nichts mehr. Da rebelliert jemand, da will jemand Stellung beziehen, da will jemand (für sich) die Welt ordnen. Wirklich gute Passage, als Jakob ihr vorrechnet, was zwei Sack Weizen (klar, schwarze Ware), wert sind. 2 Sack Weizen = 6.000 Mark = 160 Zentner Brikett, nebst Wintermantel, Nähgarn, Futter. Man rechnete eben anders. „Es war an einem Abend im Winter 1946, als er ihr die geschäftlichen Verwertung ihres Ernteverdienstes ausdeutete, der Ofen war schon geheizt mit Kohle aus Butter (vier Pfund je Zentner), in der Lampe brannte schon das Öl, das er für den Winter angeschafft hatte (eine Mandel Eier).“ (Mandel, altes Mengenmaß: kleine Mandel: 15 Stück, große: 16 Stück.)

Donnerstag, 21. Juni 2012

21. Juni 1968


Über die ersten Wahlen in der sowjetischen Zone. Nix neues, dass die S.E.D. bei der Zuteilung von Papier und Wahlkampfmitteln bevorzugt wird. Nix neues, dass ihre Kandidaten Sonderurlaub bekommen, die der anderen Parteien nicht. Nix neues, dass es Unterstützung von ganz oben gibt. Aber dann nur 66 Prozent – da hatte man sich mehr erhofft (und später es ja auch ganz gut geschafft).

Mittwoch, 20. Juni 2012

20. Juni 1968

Verschiedene Alltäglichkeiten mal genauer betrachtet. Und das wirft Fragen auf.

Dienstag, 19. Juni 2012

19. Juni 1968

[Heute kein Eintrag.]

Montag, 18. Juni 2012

18. Juni 1968


"Sozialismus sollte es werden bei euch, Gesine. Das haben sie euch von Anfang an nicht verschwiegen. / Sozialismus sollte es sein. Aber nicht einer aus der Tüte. Die Deutschen sollten sich selber einen machen." Eine historische Chance eigentlich, die aber super schnell vertan wurde - und nicht nur wegen der Eitelkeiten, die Gesine ausführlich aufzeigt. [Und damit ist das Ende von Band drei erreicht. Bis zum 20. August liegen jetzt 500 weitere Seite vor mir.]

Sonntag, 17. Juni 2012

17. Juni 1968


Marie war gestern zum ersten Mal alleine auf der Ferry – alles gut gelaufen, „glattes, graues Wasser“. Heute geht es weiter im Text, die Urgroßmutter, Louise Papenbrock ist Thema. Immer noch herrschsüchtig und auf ihren Gewinn bedacht, versucht sie den großen Saal wieder herzurichten, um ihn auf alle Fälle nicht den Flüchtlingen als Wohnraum überlassen zu müssen. Geht nicht ganz auf die Idee, er wird Versammlungsraum für die „Union“, gemeint ist die „C.D.U.“ Da ist sie jetzt nämlich Mitglied, aber leider, leider nur Mitglied und nicht Vorsitzende wie Fr. Klupsch. Und mäßig elegant beschreibt Johnson: „Der Klupsch hing mehr Fett an als ihr Knochengerüst haben wollte“ – und das obwohl es so richtig viel nicht zu futtern gibt. Hauptthema sind die Flüchtlinge, die man aus den Wohnungen raus haben will, also bittet man die Kommandantur doch die Wohnbaracken vom Flughafen für sie wieder herzurichten, denn dort sitzt eh nur eine Wachmannschaft und geflogen wird von dort auch nicht. Die Antwort: „Den Flugplatz gibt es nicht.“

Samstag, 16. Juni 2012

16. Juni 1968


Ein leicht bösartiger, kurzer Eintrag über Väter: „Der dritte Sonntag im Juni, vorgesehen zur Ehrung von Vätern. … Von de Natur ausgestattet nach der Regel, solche Ausnahme halten sie für Verdienste. … Wenn da Schuld ist, ihre war’s nicht.“

Freitag, 15. Juni 2012

15. Juni 1968

Kapier ich heute nicht so ganz. Auseinandersetzung zweier Parteien hinsichtlich kommunistischer Ausrichtung?

Donnerstag, 14. Juni 2012

14. Juni 1968

Marie: "Und was willst du mir heute nicht erzählen?" Was kommt, ist ein Bericht über die SPD-Ortsgruppensitzung Weihnachten 1945, die einfach nur absurd verläuft: "Es wird beschlossen: Dies ist keine Versammlung." Einer der ganz wenigen Einträge über die ich denke: Hättest du dir auch sparen können (wobei das angesprochene Du sowohl Johnson wie ich selber bin).

Mittwoch, 13. Juni 2012

13. Juni 1968


Wieder einmal über die Sowjets. Gesine hat schon seit Tagen die Befürchtung, Marie könnte sie zu hassen beginnen. Und so versucht sie seit Tagen schon sie zu verteidigen – auch an Stellen, wo es wohl nichts zu verteidigen gibt.