Der „brüchige Klumpen Familie“ auf dem
Rückweg vom Land. Die drei Frauen überlegen aufs Land zu ziehen. Abwägung der
Vor- und Nachteile, erste Überlegungen, wer welche Aufgaben übernimmt. Ach, im
Kopf sind solche Pläne immer so schön!
Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.
In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.
Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten
Samstag, 2. Juni 2012
Freitag, 1. Juni 2012
1. Juni 1968
Immer noch auf dem Lande. Da die anderen
beiden es sich nicht trauen, macht Gesine den Braten. Eröffnung des Dialogs:
„1946 hast du keine Ente gegessen, Gesine. / 1946 haben wir gehungert, streng
nach Rezept.“ Dann befragt Marie ihre Mutter nach der Schule um 1946. Ein Teil
der Lehrer sind ausgewechselt worden, ein Teil der Schulbücher gibt es nicht
bzw. darf nicht benutzt werden, also gibt es kein Erdkunde, dafür Schiller,
Ablativ, Russisch und Handarbeit. Und die Gewichtung ist absolut klar: „… eine
Vier für das Russich … das war in den Augen der Pagels verzeihlich. Die Vier
für wirre Handarbeit jedoch galt nie und nimmer verzeihlich. Wir sollten
weiterhin für den bürgerlichen Haushalt erzogen werden.“ Eine zeitlang wird
Gesine gehänselt, die Lehrerin leitet den Namen Cresspahl aus dem
althochdeutschen ab und kommt zum Ergebnis „Grünfutter“. Erst als klar wird,
dass Gesines Vater von den Sowjets „verschleppt“ ist, ändert sich das
schlagartig.
Donnerstag, 31. Mai 2012
31. Mai 1968
„Ferien auf dem Lande,
Landregen.“ Und so erinnert sich Gesine an einen westdeutschen Ausflug mit
Marie vor vier Jahren in die holsteinische Schweiz, wo sie an einer
Busrundfahrt teilnahmen. Herrlich satirischer Text über solche
Busreisegesellschaften, ihre kleinen Streitigkeiten, ihre Wichtigkeiten. „Der
Busfahrer verkaufte die Gegend über ein Mikrofon“ und macht natürlich Witze,
was Johnson so zusammenfasst: „Die Fahrgäste, statt ihm in die harmlose Fresse zu
schlagen, lächelten sinnig.“ Was soll noch mehr dazu gesagt werden?
Mittwoch, 30. Mai 2012
30. Mai 1968
Memorial Day. Marie und Gesine
auf Landpartie. Mit dabei Amanda Williams, die ehemalige Kollegin von Gesine,
Naomi Prince und Clarissa Prince. Fünf Frauen und ein Wochenendhaus (wäre das
nicht ne Fernsehserie wert?). Man nähert sich vorsichtig an.
Dienstag, 29. Mai 2012
29. Mai 1968
Schöner Text: „Wenn Jerichow zum
Westen gekommen wäre“ dann, ja dann – Johnson kannte den Ausdruck noch nicht –
dann hätte es ‚blühende Landschaften’ gegeben. Und so eine kleine Utopie, wie
toll und schön das alles gewesen wäre, was für mich in der Aussage gipfelt:
„Jerichow hätte fünf Ansichtskarten anzubieten statt früher zwei.“ Damit ist
alles gesagt. Nicht so für Johnson. Der beschreibt den ersten Aufschwung, den
es wohl sicherlich gegeben hätte, er betrachtet aber auch die Folgen und da
wäre Jerichow der Kreisstadt Gneez unterlegen gewesen und an der Buslinie
„stünde nicht: Jerichow, sondern: Gneez – Rande (über Jerichow)“. Geile
Verkürzung.
Montag, 28. Mai 2012
28. Mai 1968
Das habe ich mich schon länger
gefragt, aber heute kommt die Antwort: „Nachdem Cresspahl verschwunden war,
übernahm Jakob seinen Haushalt nicht gerne.“ Aber geschickt, sollte man
hinzufügen. Er führt sofort Miete ein, um von irgendetwas leben zu können,
nimmt das Ausfüllen der „Personenstandsaufnahme“ absolut korrekt und kann
Cresspahl mit auf die Liste setzen (eine Lebensmittelkarte mehr) und führt den
Haushalt mir ruhiger Hand. Niemand wir aufmüpfig – und auch wenn es nicht
geschrieben steht: man respektiert ihn. Als sich Amalie Creutz erhängt muss
dann aber erst Gesine dafür sorgen, dass man da mehr tun muss, als sie nur
abhängen und waschen. So schickt sie ihn quasi zum Sarg holen und organisiert
quasi die Beerdigung. Bei der Beerdigung heißt es: „In den Augen Jerichows
stand sie [Gesine] da für das Haus
Cresspahl …“ Sie hat auch die Sachen ihres Vaters sortiert „und doch ging ihr
auf, dass sie die Sachen sortiert hatten wie den Nachlaß eines Verstorbenen.“
Sie ist es auch, die Jakob die Sorge abnimmt, wie man nun Weihnachten zu feiern
hätte und erkundigt sich bei ihm für ihn kryptisch, ob den englische
Freundschaften in der jetzigen Zeit gefährlich wären. Das Gerücht geht um,
Jerichow würde im Tausch dem Westen, in diesem Fall den Briten zugeschlagen –
aber wie gesagt: Ein Gerücht. „Jakob war nicht mit sich zufrieden als Vorstand
der Familie“, aber er macht seine Sache echt gut – wohl auch, da alle die
Situation erkennen und keiner meint, besonders ‚wichtig’ sein zu müssen.
Sonntag, 27. Mai 2012
27. Mai 1968
Ende des Arbeitstages. „In
vierzig Minuten sollten wir am Riverside Drive sein, zu Hause.“ Wer richtig
gelesen hat, hat „sollten“ gelesen. Dialoge aus der überfüllten U-Bahn, die
wohl wegen eines Stromausfalles nicht fährt.
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