Gesine telefoniert mit ihrer Freundin Anita
in Berlin. Die erzählt von den Ausschreitungen nach dem Dutschke-Attentat gegen
den Springerverlag und Gesine von den Ausschreitungen der Schwarzen im Zuge der
Ermordung von King. Aber weder diesseits noch jenseits des Atlantiks ist es ein
Aufstand. Proteste, die ausgesessen werden. Manchmal fragt man sich echt, warum
man sich aufregt und für was einsetzt. Man will wohl die Hoffnung nicht
aufgeben. Wobei ich von einem ehemaligen KZ-Häftling letztens im Radio die Formulierung
hörte: „Hoffnung ist Feigheit“. Aber ich glaube, er meinte es nur, wenn man da
sitzt und hofft, nicht, wenn man hofft und etwas tut.
Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.
In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.
Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten
Samstag, 14. April 2012
Freitag, 13. April 2012
13. April 1968
Sie fahren wieder Fähre. „Unterwegs wollte
Marie Gelegenheiten benutzen dazu, dass ihre Mutter den Krieg verlor.“ Aber das
Gespräch ist für Marie enttäuschend, da wenig spannend. In Jerichow wartete man
ab, wer wohl als Besatzungsmacht käme und floh daher nicht, im Westen war eh
noch Krieg. Und es kamen ja auch nicht die Russen, sondern die Briten. Die setzen
als erstes den Bürgermeister ab und bestimmen Cresspahl zum neuen – auch weil
er dessen Sprache spricht. Er zeigt ihnen die Münze als Zeichen, dass er für
sie gearbeitet hat, sie bedanken sich höflich – das war’s dann auch schon. Noch
ne Enttäuschung für Marie, nicht mal „große Worte“.
Donnerstag, 12. April 2012
12. April 1968
Rudi Dutschke ist gestern
angeschossen worden. Cresspahl hat einen jüdischen Flüchtling aus einem
Konzentrationslager bei sich übernachten lassen und ihn dann weitergeschickt.
Heute ist Pessach, die Ferwalters feiern es wie vorgeschrieben.
Mittwoch, 11. April 2012
11. April 1968
Es stellen sich Fragen zum Tode von Martin Luther King, wie fast nach jedem Attentat. Und die Prophezeiung Johnsons gilt so gut wie heute noch: "Wenn je eine Regierungskommission den amtlichen Bericht über das Attentt auf Dr. King vorlegt, sie wird dies wegerklären." Danach die ausführliche Schilderung zweier Versionen, wie die Sowjets die Stadt Wendisch Burg einnehmen konnte. Variante 1) Zwei Kommunisten, nun in der DDR hochangesehen, hätten den Sowjets die deutschen Stellungen verraten. Variante 2) Martin Niebuhr, der Schleusenwärter, hätte was dagegen gehabt, dass zwei deutsche ihm die Schleuse sprengen, um so "die sowjetischen Verbände nach Süden wegzuspülen". Er habe also die nächste Schleuse angerufen, aber da saßen schon die Sowjets am Telefon, und er also das ganze Vorhaben erklärt, auch dass die Stadt von der Seeseite her offen sei. Wie dem auch sei - bei beiden Varianten sitzen am Schluß die Sowjets in der Stadt. Und insgesamt ist er gesamte Eintrag eine schöne Prarabel über die 'geschichtliche Wahrheit von Ereignissen'.
Dienstag, 10. April 2012
10. April 1968
Eigentlich wollte ich heute nur schreiben: "Nachrichten aus aller Welt." Wie das halt so ist. Da passiert verschiedenes, aber nix bleibt letztendlich großartig hängen. Es gibt Tage, wie bisher der heutige, der es mir schwer macht, mich an ihn in vier Tagen zu erinneren. So eigentlich auch der Eintrag heute, von jedem etwas, aber nichts, was von langanhaltender Bedeutung ist. Und dann doch die Mitteilung, das Hilde Paepcke mit ihren drei Kindern Alexandra, Eberhardt und Christine bei einem Luftangriff ums Leben gekommen sind. Es wird langsam richtig einsam um Gesine.
Montag, 9. April 2012
9. April 1968
„Heute wurde Martin Luther King beerdigt.“
So wie es der Bericht Glauben mach will, stand
zumindest für den Vormittag die Stadt still. Aber ein Geschäft für die
Würstchenverkäufer ist dass dann schon. Und Marie fordert einen Fernseher.
Gesine: „Nur wozu? Das Begräbnis von King ist doch zu Ende.“ Und Marie kontert:
„Für den nächsten, Gesine. Für den nächsten, die sie totschießen.“ Das Attentat
auf King muss, wie das auf Kennedy, weltweit für Entsetzen gesorgt haben. Wenn
man meine Elterngeneration fragt, wo sie an dem jeweiligen Tag waren, oder
unter welchen Umständen sie Nachricht davon erhalten haben, wissen sie es
(meist) wie aus der Pistole geschossen. Bei uns ist es der 11. September, der
Mauerfalle und meiner Erfahrung nach der Tod von Lady Di.
Sonntag, 8. April 2012
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