Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 7. Juli 2012

7. Juli 1968

Nichts Neues: Ein Loblied auf die Tante Times.

Freitag, 6. Juli 2012

6. Juli 1968


Nach langer Zeit mal wieder was aus der NYT. Ein längerer Teil über den Einfluss der ‚amerikanischen Kultur’ auf die Gesellschaft von Vietnam und die leicht skurrile Geschichte über das Photographieverbot in der U-Bahn von New York.

Donnerstag, 5. Juli 2012

5. Juli 1968


Wusste ich gar nicht: Der ehemalige Bundeskanzler Kiesinger war in leitender Funktion davor beim Außenministerium der Nazis beschäftigt, Abteilung Abhören. Ansonsten heute die recht flott geschriebene Lebensgeschichte von Emil Knoop, Sohn eines gneezer Kaufmanns für Kohle, Fuhrgeschäfte, Import und Export. Emil weiß um die Stellung seines Vaters und schlägt in der Jugend über die Strenge – der Vater wird’s mit einer Spende schon richten, so auch das Abitur. Geht dann zu den Nazis, wird Oberleutnant und kann aber 1945 den Briten weiß machen, dass er nur Parteibeiträge gezahlt habe – nix sonst. Und dann zieht er, nicht grün hinter den Ohren, ein neues Fuhrgeschäft auf, verdient prächtig daran, denn er besorgt auch den Sowjets alles, was sie brauchen. Ein Angeber vor dem Herrn, dennoch mit einem Stück weicher Seele, da er, wenn es ihm gerade passt, auch an andere denkt und sogar selbstlos sein kann. Eine schillernde Figur – doch ein paar Jahre später ist es mit der Herrlichkeit vorbei, die Russen verhaften ihn, er wächst ihnen wohl über den Kopf mit allen den Freiheiten, die er sich rausnimmt, die sie ihm gewähren müssen. Nennt man solche Leute nicht Kriegsgewinnler?

Mittwoch, 4. Juli 2012

4. Juli 1968


Inhaltlich ganz einfach. Gesine verbringt fünf Tage auf Fischland, in dem Haus, wo sie mit ihrem Onkel früher mehrfach Urlaub gemacht hat (und der, wie seine Familie, nun tot ist). Sie hilft dort mit, verdient sogar etwas Geld. Aber warum ist sie dort? Sie ist abgehauen von Jerichow. Und warum? Keine Ahnung. Also steht nicht im Text – jeder darf heute frei spekulieren. Am Ende noch Andeutungen, dass sie sich mit Selbstmordgedanken getragen hat. Aber eher so eine Anspielung – im Text selber konnte zumindest ich nichts erkennen.

Dienstag, 3. Juli 2012

3. Juli 1968

Der ein oder andere würde den Eintrag von heute wohl „süß“ nennen. Gesine erzählt, indirekt, vom Traumort der vierjährigen Marie, Cydamonoe genannt. Das ist ein Ort nach dem Motto „Gebt den Kindern das Kommando“. Aber dieser Ort gehört Marie, ihr alleine, sonst niemandem. Jeder Erzählung darüber ist so etwas wie Verrat, ein Art Angriff, ein Raubversuch, eine Zerstörung. Und mögen vielleicht manche es „süß“ nennen, einen Trost gibt es: Sie werden den Ort nie verstehen, nie sehen, nie erleben, nie nachempfinden können, nie fühlen, riechen, schmecken … . Und so wird mein „Feuerwehrauto“ immer meins bleiben, aber das wusste ich irgendwie schon früh, denn es hat nie jemand wirklich verstanden, also blieb ich alleine damit, was mir manchmal schwer fiel, aber jetzt, nach Jahren ist mein Schatz, den mir niemand mehr nehmen kann – und, jetzt muss halt Wowi erhalten, das ist gut so

Montag, 2. Juli 2012

2. Juli 1968


Gesine hat im Frühjahr 1947 begonnen Tagebuch zu schreiben. Aber jetzt nicht so im klassischen Sinne, sondern sie hat nur Stichworte notiert, teilweise auf russisch, teilweise deutsch in kyrillischer Schrift. Johnson müht sich nun ab, die zu entschlüsseln – natürlich im Auftrag von Gesine, denn die „Jahrestage“ definiert er wie folgt: „Wie dies [ein Tagebuch] keins ist, aus anderen Gründen: hier macht ein Schreiber in ihrem [gemeint ist Gesine] Auftrag für jeden Tag einen Eintrag an ihrer Statt, mit ihrer Erlaubnis, nicht jedoch für den täglichen Tag.“ Aber das mit dem Entschlüsseln ist halt so eine Sache, denn es ist unecht. Entweder kann man sich dann einfach Phantasiegeschichten ausdenken, oder man hat Vorkenntnisse. Und die hat halt nun mal Johnson, so dass dieser Eintrag schriftstellerisch gesehen wenig gelungen ist. Viele Kleinigkeiten – und natürlich weiß ich mal wieder nicht, welche für den Verlauf noch ggf. wichtig werden könnte. Einzig und allein heute spannend. Robert Papenbrock taucht plötzlich wieder bei Gesine und den Abs auf – sie scheint dann doch nicht nach Gneez gezogen zu sein, das Thema wurde jedenfalls bisher nicht mehr aufgegriffen. Sie sieht ihn, er fragt „Na du?“ und sie: „Raus“. Aber das ist nun auch nicht wirklich verwunderlich, es ist im Grunde nur die Wiederholung des selben Themas, denn wir wissen bereits ausführlich, dass sie eine ‚böse’ und eine ‚gute’ Welt hat, dass ihr schizoider Anteil jedenfalls sehr ausgeprägt ist. Und Jakob Abs respektiert diesen Rausschmiss: „Das war das einzige Mal, da sorgte Jakob dafür, daß der Gast ein wenig hinfiel, mit dem Gesicht auf die scharfe Schwelle hinter der Tür.“ Von Cresspahl immer noch nichts Neues.

Sonntag, 1. Juli 2012

1. Juli 1968


Manchmal nervt Johnson. Und zwar immer dann, wenn er quasi langatmig etwas vorbereitet – was dann aber gar nicht kommt. So heute. Langer Eintrag mal wieder – aber das wird sich im vierten Band wohl auch nicht  mehr ändern, es sind noch ca. 400 Seiten bis zum 20. August. Geschäftliches Mittagessen mit dem Vizepräsident hat Gesine zu überstehen. Interessant wird es aber erst am Ende, als er mit in ihr Büro geht, sich dafür bedankt, dass sie demnächst für ein Vierte Jahr nach Prag geht. Dann fragt er, ob sie noch etwas tun würde. Und hier wird es nur geheimnisvoll. Aber keine Andeutung was es soll. Doch irgendwie latente Drohung, wenn sie es nicht macht, ist sie ihren Job los und wird auch keinen neuen mehr bekommen, mal abgesehen von der Arbeitserlaubnis (also ist Gesine keine amerikanische Staatsbürgerin – ich war interessanterweise in der Zwischenzeit davon ausgegangen). Sie sagt zu – zu was, keine Ahnung.