Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 28. Juli 2012

28. Juli 1968


Weiter geht es mit Schulgeschichten. Gestern ging es um die neue Rektorin der Oberschule, Bettina Selbich. Die haben die Schüler auf dem Kieker, und als es mit ein FDJ-Abordnung nach Berlin geht, erwischt Pius, Klassenkamerad und Freund (also so normal halt) von Gesine, die Einhundertprozentige vor einem Schuhgeschäft in West-Berlin. Tztztz. Gesine bleibt zu Hause, hofft drauf, dass Jakob kommt. „Darauf gedachte diese Gesine zu warten in einem Liegestuhl an der Milchbank hinter dem Haus, und für Jakob zu tun, als lese sie für die Schule.“ Immer noch verliebt.

Freitag, 27. Juli 2012

27. Juli 1968


Ein beschwingtes, skurriles, lesenswertes, erheiterndes, liebenswertes Mutter-Tochter-Gespräch am Ferry-Tag. Ich kann nur empfehlen: selber lesen! (4. Band, S. 1.644-1.657, und um den einen kleinen Witz zu verstehen auch noch die letzten acht Zeilen des Vortageintrages, beginnend mit: „Damit Du Bescheid weißt ...“)

Donnerstag, 26. Juli 2012

26. Juli 1968


Gute Idee, dann aber doch etwas nervig. Gesine schreibt von der Arbeit aus auf einer Dienstmaschine einem gewissen „J.B.“ – und zwar so furchtbar kryptisch, dass es nichts zu berichten gibt, außer ich würde jetzt eine Vermutung an die andere reihen. Derweil, etwas arg selbstreferenziell begründet Gesine in dem langatmigen schweigen, warum sie all diese Geheimnisse macht / machen muss. Das erzählt ein kleinwenig von der Zeit, ist literarisch auch nicht schlecht umgesetzt – aber dann doch ein Tucken zu viel. Was im Gespräch mit Marie rauskommt. Es ist eine männliche Person, die Gesine auf einer Reise nach Prag, um dort Anita zu treffen, kennen gelernt hat und mit der sie auf einem öffentlichen Platz sang: „Marmor, Stein und Eisen bricht ...“.

Mittwoch, 25. Juli 2012

25. Juli 1968


„Vor Ende des Schuljahres 1949/1950 wurde Herr Dr. Julius Kliefort seines Amtes als Rektor der Fritz Reuter-Oberschule enthoben.“ Er hat halt nicht so funktioniert, wie es die Oberen gerne wollten. Durchaus skurril das Ganze.

Dienstag, 24. Juli 2012

24. Juli 1968


Anita ist jetzt schon Patin, von Brüshavers neuem Kind, einem Sohn, Alexander. Um zum ersten Geburtstag ein Geschenk machen zu können, verkauft sie ihr Rad. Jetzt ist es schon 1952: Abitur. Wohnt plötzlich in Westberlin, Karl-Marx-Straße (kenn’ ich). Und im Schweinsgalopp geht es heute durch die Zeit. Johnson berichtet fast zu jedem Geburtstag von Alexander, was der von Anita bekommt und zeichnet so eine DDR-Jugend. Anita selber ist Französin geworden (wie, erfahren wir nicht), eng mit Gesine befreundet, die inzwischen in den USA ist. Dass kann er, der Johnson, zusammenfassen, raffen – und dennoch die Welt an einem vorbeiziehen lassen. Und Alexander als er 18 ist, will nicht zur Armee, unternimmt einen Versuch der Republikflucht und kommt für drei Jahre ins Gefängnis. Derweil Anita nach wie vor abstreitet, als Fluchthelferin zu fungieren. Und noch was: Jakob stirbt bei einem Unfall. Der wievielte Tote ist das jetzt im Roman?

Montag, 23. Juli 2012

23. Juli 1968


Anita, Anita Gantilik, das ist das Thema des heutigen – wohl bisher längsten – Eintrages. Johnson hätte das ruhig auf zwei, drei Einträge verteilen können, wäre genauso spannend gewesen. Es wäre jetzt verdammt kompliziert, die verworrene Lebensgeschichte dieses Mädchens zusammenfassen zu wollen. Wir haben es jedenfalls mit einer zu tun, die weiß was sie will, die im Krieg einiges erlebt hat (Vergewaltigung), die nun mehr oder weniger für sich selbst sorgt und mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Schüchternheit daher kommt. Sie wird, soviel ist ja schon klar, sich bald mit Gesine befreunden, was dann anhalten wird. (Wir hatten die „rote Anita“ schon mal vor zehn, elf Monaten, da hatte sie Gesine einen Brief geschrieben (oder umgekehrt?).) Anita wird jedenfalls von den Russen unterstützt, hat deswegen ein Rad und kommt mit dem auch zur Schule, eineinhalb Stunden hin und eineinhalb Stunden zurück.

Sonntag, 22. Juli 2012

22. Juli 1968


Die Frau Pastor, Agathe Brüshaver, genannt Aggie, jetzt Frau eines Staatssekretärs für Kirchenfragen, mischt sich immer mehr in das Leben von Cresspahl ein. Jetzt sind also drei Frauen um ihn, Frau Abs, Gesine und eben Fr. Pastorin. Er lässt es sich gefallen, auch wenn die frühere Vertrautheit sich wohl nicht mehr herstellt. Sie tut aber auch wirklich sehr wichtig. Und bekommt auch noch ein Kind – von ihrem Mann natürlich.