Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 11. Februar 2012

11. Februar 1968


Bei Johnson geht nix verloren *grins*, jetzt taucht mal wieder Francine, die ‚ungeliebte (schwarze) Freundin’ von Marie auf. Gesine und Marie nehmen sie bei sich auf, weil die Mutter nach einer „Messersteicherei und einem Zuständigkeitsstreit zwischen Polizei, Fürsorgern und Hausverwaltern“ im Krankenhaus liegt. Wo ihre Geschwister sind, weiß man nicht. Francine ist vollkommen verunsichert, weil sie die Umgebung, die Art und Weise so zu leben nicht kennt. „Falsch war ein Abendgericht, das nicht mit der Hand zu essen ist, und es half nichts, dass Marie wie zufällig ihr Messer weglegte und dann das Kotelett wie Francine mit der Gabelkante anging.“ (Unheimlich und süß zugleich die Marie heute.) Muss erwähnt werden, dass Gesine etwas schräg angeschaut wird, weil sie ein schwarzes Kind aufnimmt? Muss erwähnt werden, dass Marie sehr erleichtert ist, als sie alleine mit ihren Freundinnen zum schwimmen kann?

Freitag, 10. Februar 2012

10. Februar 1968


Tag der South Ferry – aber die muss heute hintenan stehen. Die Gerüchteküche kocht über in Amerika, sind nun „taktische Atomwaffen für den Einsatz in Viet Nam angefordert worden“ oder nicht. Übliches Politiker-Sprech, alles ergeht sich in Andeutungen und Dementis und Mutmaßungen – so wie heute auch. Nix Neues unter dem homerischen Himmel also. Und dann noch der Bericht vom 26. Oktober 1938, „einem Mittwoch“, an die Luftwaffe den Flugplatz Jerichow Nord übernahm, an dem u.a. Cresspahl mitgebaut hat. Großes Tamtam mit allem was dazugehört, nur Pastor Brüshaver wagt, „die Glocken der Petriekirche nicht zu läuten“. Übliche Politikerrede von Jansen. Cresspahl ist zwar auf dem Marktplatz dabei, zieht es dann aber vor, seine Werkstatt aufzuräumen. Erst abends beim Festbal im Schützenhaus taucht er mit Lisbeth wieder auf. Lisbeth lässt „zweieinhalb Stunden keinen Tanz aus“ und bemerkt zu Cresspahl: „Ich wollte noch einmal mit dir schlafen, Heinrich. Bevor es zu Ende ist, meine ich.“

9. Februar 1968

Die NYT bringt „Farbfotografien über zwei Seiten, die  nach dem Überfall des Viet Cong auf die amerikanische Botschaft [im Rahmen der Tet-Offensive] in Saigon gemacht wurde.“ NYT ausverkauft, Gesine bekommt dann doch noch eine. Überall Aufregung, über alle verschiedene Interpretationen, was das zu bedeuteten hat / hätte.

[Konnte gestern aus technischen Gründen nicht bloggen.]

Mittwoch, 8. Februar 2012

8. Februar 1968


Lisbeth zeigt unbeholfen, wenn auch nicht ganz unkreativ, ihre Missbilligung gegen den Nazis gegenüber, natürlich aber nur so, dass ihr nichts passieren kann. Und: Lisbeth lässt Gesine hungern. Cresspahl kommt er nach über einem halben Jahr drauf, als er Gesine ertappt, dass sie eine Stulle eines seiner Angestellten anknappert. Lisbeth zur Rede gestellt, bekommt er die Antwort: „Ich hab auch gehungert, Cresspahl“. Jetzt nimmt er das Kind über all mit und wacht über das Essen. In Jerichow kommt schon das Gerede auf, dass er Lisbeth das Kind wegnehmen will.

Dienstag, 7. Februar 2012

7. Februar 1968

Gesine bespricht nicht die Phonopost für Marie, „für wen ich tot bin“, sondern schreibt ihr einen Brief, damit sie den Inhalt nicht eher als 1976 erfährt. Auch hier, geschickt, geschickt, Beschreibung der Hausaufgaben von Marie, die ‚natürlich’ darin besteht, Artikel aus der NYT auszuschneiden. Dann berichtet Gesine vom Tod von Charles H. Jordan, der im vergangenen Jahr am 20. August (ein Tag vor Beginn dieses Romans) tot in der Moldau gefunden wurde – was nicht erfunden ist. Er war Mitarbeiter eines jüdischen Hilfwerkes und Freunde sind sich sicher, dass es kein Selbstmord war. Ein Arzt, der die Obduktion vornehmen will, findet man kurze Zeit später auch tot. Jetzt hat „eine Regierung der Sozialistischen C.S.R“ den amerikanischen einen Bericht mit näheren Informationen überreicht. So schwammig er auch ist, er legt nahe, dass Jordan ermordet wurde und Gesine regt sich auf, „daß ein Tod nicht von Staats wegen rechtens ist; daß zu einem Mord ein Mörder gehört“. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, dass sie es auf ein „sozialistisches Land“ eng führt, denn das gilt auch für alle anderen Staaten, wobei man sich nicht sicher sein kann, das eben auch dort so was passiert, angeordnet wird. Am Ende des Briefes die Erklärung für den langen Anlauf: „Dies habe ich dir aufgeschrieben, damit du spät genug verstehst, was ich vielleicht in diesem Jahr anfangen werde, 35 Jahre alt, du liebe Zeit, ein letztes Mal.“

Montag, 6. Februar 2012

6. Februar 1968


Cresspahl baut 1938 vor und geht in großem Stile einkaufen – all das, wovon er vermutet, dass er es im Krieg, von dem er ausgeht, brauchen würde. Auch Lisbeth zwingt er mehr oder weniger dazu. „Lisbeth versuchte ihn aufzuhalten, weil so an Wirklichkeit zunahm, was er von den nächsten Jahren erwartete …“. Ich vermute, Lisbeth ist manisch-depressiv – auf alle Fälle jedenfalls starken Stimmungsschwankungen unterworfen. Am Ende noch ein kurzes Gespräch zwischen Gesine und – nein, nicht Marie auch nicht D.E. oder Johnson, sondern mit ihrer Mutter Lisbeth.

Sonntag, 5. Februar 2012

5. Februar 1968


Gesine muss zu ihrem Chef, Bericht erstatten. Und was kommt heraus. Dieser eigenartige Weiszand (30. Januar 1968) hatte die Aufgabe, ihr auf den Zahn zu fühlen, ob sie auch dicht hält. Sie ist gar nicht mal so entsetzt darüber, fühlt sich ‚nur’ an die lange Leine genommen. By the way erfährt man auch, dass sie 1955 in Mönchen-Gladbach bei der NATO gearbeitet hat.