Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 10. September 2011

10. September 1967

Mal ein richtig langer Eintrag, über vier Seiten. Und was ziehe ich daraus. Die Reserviertheit des alten Papenbrocks vor Chesphal – aber dann doch die Zustimmung, dass er Liesbeth heiraten darf. Somit sind die Eltern von Gesine perfekt. Erster Eintrag, der in beiden Zeiten spielt. Zuerst eben bei den Alten auf dem Lande, später dann auf Staten Island, wo Gesine und Marie eine Ausflug gemacht haben und Gesine ihrer Tochter davon erzählt.

Freitag, 9. September 2011

9. September 1967

Der Eintrag heute gehört Marie. Wie sie sich weigerte Englisch zu sprechen, obwohl sie es verstand und konnte, wie sie von einem Tag auf den anderen damit anfing, wie sie diszipliniert einkaufen geht und Respekt bei den Ladenbesitzer findet, wie sie an der Kasse genau die Rechnung überprüft und die Kassierein dabei ertappt, 21 Cent zu viel zu berechnen und u.a. wie sie mit diesen 21 Cent umgeht: „die 21 Cent habe ich den Bettlern gegeben, dem mit den blauen Haaren sechzehn, und dem an der 98. Straße fünf.“ Ein beängstigendes Kind.

Donnerstag, 8. September 2011

8. September 1967

Die heutige Ausgabe der New York Times ist die 40.039ste. Gesine trifft sich mit James Shuldiner, der „einem Oberschüler ähnlich … den keine Bande brauchen konnte, der von beiden Banden Prügel bekam und aus den letzten Ferien stracks in die Armee ging“. Er ist ihr gegenüber sehr distanziert, was mit einem bedauerndem Unterton zur Kenntnis genommen wird. Haben sie geschäftlich miteinander zu tun? Es scheint so. Ganz klar ist das jedenfalls nicht.

Mittwoch, 7. September 2011

7. September 1967

Beschreibung des Arbeitsplatzes. Meldungen des Tages.

Dienstag, 6. September 2011

6. September 1967

Heute mal einen Sprung ins Jahr 1920, zur Zeit des Kapp-Putsches [Antirepublikanischer Umsturzversuch durch rechtsradikale Kräfte 13.-17. März 1920]. Baron Stephan le Fort lässt Waren an der Müritz beschießen. Landarbeiter gehen gegen Gutspächter vor, auch gegen das Gut von Papenbrock. Der versucht zu beschwichtigen, doch die damasl 14-jährige Mutter von Gesine verrät den Leuten das Verseck: „Inne Döe. Hinter dem eichenen Schrank … hingen neu Infrantriegewehre und zweihundertzehn Schuß Munition“. Die Mutter wird für zwei Wochen auf Wasser und Brot gesetzt, Papenbrock gibt zwei Jahre später das Gut auf. Ein Gutsherr, wie er im Buch steht: „Wenn Papenbrock verreisen wollte, telefonierte er mit dem Vorstand des Dorfbahnhofs und ließ ihn den gewünschten Zug auf freiem Feld beim Gut anhalten. Der Mann sagte: Ja, Herr. Für zwei Weihnachtshühner.  Und wenn Papenbrock zurückkam, zog er beim Gut die Notbremse und zahlte die zweihundert Mark Strafen und stieg in den Kutschwagen, mit dem Firtz nach dem Fahrplan auf dem Feldweg angefahren kam.“

Montag, 5. September 2011

5. September 1967

In Brooklyn kam es gestern zu einem Straßenkampf. Das hatten wir vor wenigen Tagen in London. Ansonsten: Beschreibung der Bank, in der Gesine arbeitet.

Sonntag, 4. September 2011

4. September 1967

Die Stadt New York, spätestens heute wird es klar, gehört wie Gesine, Cresphal u.a. ganz einfach zum Personal des Romans. Und das, obwohl ich dieses Stadt ja nicht leiden kann. Absolut nicht. Dieses ganze aufgeblasene Amerika geht mir eigentlich am Arsch vorbei. Es ist genau genommen der Amerikazentrismus. Man nehme ein beliebiges Hör- oder Fernsehprogramm und zähle mal nach, worüber am meisten aus der Welt berichtet wird. Nicht Russland, nicht China, nicht Südamerika, nicht Afrika – nein, immer die USA bis in die letzten noch so uninteressanten Winkeln. Aber es ist eben hip, es ist eben in – obwohl schon längst eine krebszerfressene Nation, die sich noch gut schminken kann.
Das New York von Gesine hat Reiz – von dem das heutige versucht zu zehren – und sehr viele lassen sich von dieser leeren Show blenden.