Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 12. November 2011

12. November 1967


Ich hab’s drei Mal lesen müssen, bevor ich eine Ahnung bekam. Sicherheitshalber habe ich echt im Kommentar nochmals nachgeschaut. Dort heißt es: „Es kommt auf ... Tag nicht an - Mit diesem Satz macht Johnson auf zwei Verstöße gegen von ihm selbst aufgestellte Prinzipien für die Abfassung seines Romans aufmerksam: gegen das Jahrestag-Prinzip, denn Lisbeths Todestag vor 29 Jahren war bereits der 10. November, und gegen die Vereinbarung mit seiner fiktiven Person Gesine, wonach nur Ereignisse ihres Lebens und Bewußtseins und das auch nur mit ihrer Genehmigung Eingang in den Roman finden dürfen.“ Ein Art innerer Dialog ist es, der nicht gerade liebevoll an Lisbeth erinnert. Es wird von ihrem Hochmut gesprochen, ihrem Egoismus. „Du wolltest nicht alle kränken. Ihn hast du gekränkt. Du hast mich gekränkt. Ein Kind. Wir verzeihen dir gar nicht.“ Das ist harter Tobak und der erste Hinweis auf der Verhältnis von Gesine zu ihrer Mutter. Und wie für alle Tote gilt: „Es gäbe dich nicht, wenn wir dich nicht mehr wollten.“ Heftig heute.

Freitag, 11. November 2011

11. November 1967

Mutter und Tochter werden von einer italienischen Delegation am Abend in die UNO eingeladen. Die Einladungskarte wird von einem Boten überbracht. Gesine ist wenig erstaunt, wie es scheint, denn, wie es mir scheint, kennt sie die beiden Herren Kasch und Pompa. Sie gehen recht vertraut miteinander um, nur Marie ist vollkommen aufgeregt, da sie zum ersten Mal in der UNO ist und Hr. Kasch, der wohl Schriftsteller ist, ins Verhör nimmt. Manchmal nervt es schon ein bißchen, dass man als Leser mit irgendwelchen Situationen konfrontiert wird, die man nirgends einordnen kann, oder zu denen keine Verbindung stehen. Aber da wir noch immer im ersten Band sind, sehe ich dass alles noch als Vorbereitung. Und ich kann es heute einfach nicht lassen: Gesine - Alaaf! Marie - Alaaf! Johnson - Alaaf!

Donnerstag, 10. November 2011

10. November 1967


Was für ein Durcheinander. Erst im Kommentar wurde mir bestätigt, dass die Mutter von Cresspahl nicht Grete sondern Berta heißt. Heute geht es um ihre Beerdigung, bei der von Seiten Papenbrocks nur Hilde und Lisbeth teilnehmen. Ein geheimnisvoller Alter taucht auf, der Mutter und Familie seit deren Heirat gemieden hat, jetzt aber jedem die Hand gibt – ich tippe mal auf verschmähten Liebhaber. Keine große Beerdigung, für einige auch eher Schaulaufen. Warum muss Hilde unbedingt Lisbeth ärgern?

Mittwoch, 9. November 2011

9. November 1967


Eigentlich wollte ich heute schreiben, dass mir das Ritual, jeden Tag ein paar Seiten in Johnson zu lesen, langsam richtig gut gefällt. Aber der Eintrag heute: langweilig. Es geht um „Telefonverwechsler“, Leute die sich echt oder angeblich verwählt haben, um den Umgang mit fremden Leuten am Telefon, die mehr wissen wollen und um das amerikanische Nummernsystem für Telefone. Langweilig wohl deswegen, weil es nicht mehr aktuell ist, ich aber ‚alte’ Telefone mit Wählscheibe (!) noch selber gut genug kenne, daher wiederum nicht zu alt, als dass ich ein geschichtliches Interesse aufbringen könnte. Auffallend in den letzten Tagen, dass die NYT relativ oft von Naziverbrechern aus Deutschland berichtet und ihre unglaublichen Ausreden und Entschuldigungen. Kein Thema heute mehr – heute schlagen wir uns mit Leuten wie Berlusconi rum, denen man auch kein Wort mehr glauben kann. Mehr fällt mir heute  zu dem Eintrag nicht ein.

Dienstag, 8. November 2011

8. November 1967


Anknüpfung an den 2. November. Cresspahl schaut sich, auf dem Weg zurück von Malchow (6. November), das Haus an, „das seinem Kind angeboten war“. Etwas heruntergekommen – eine Zusammenfassung der sehr konkreten Beschreibung erspare ich mir. Fazit, „wenn man will“ könnte man es als Tischlerei umbauen und dort auch arbeiten, „wenn man will“. Und, typisch Johnson, einfach einen Sprung nach New York: erste Schneeflocken. Bin ich froh, dass sie uns erspart geblieben sind heute. Ich mag ihn nicht, den Schnee, vielleicht einen Tag lang, aber dann reicht es auch.

Montag, 7. November 2011

7. November 1967


Hey, Johnson, warum heute nichts aus der NYT? Ist doch sonst nicht Deine Art. Aber dafür erzählt er ausführlich über das Haus, in dem Gesines Freund D.E. mit seiner Mutter lebt. Schick, geschickt und für jedes Live-Style-Magazin ein muss. Sie essen all vier zusammen zu Abend und D.E. gelingt es, seine Mutter alte Geschichten aus Mecklenburg erzählen zu lassen, die aber wohl nicht immer der Wahrheit entsprechen bzw.: Die Erinnerung, die Jahre verschönern das ein oder andere. Aber Gesine und Marie fühlen sich wohl, morgen haben sie frei da Wahltag ist. Eine Freundin, die mithört und mitliest schrieb mir gestern, sie würde mit Gesine nicht „warm“ werden. Kann ich von mir auch noch nicht behaupten, aber dennoch interessiert sie mich nach wie vor. Die Freundin schrieb auch, dass Marie sie „beängstigt“ – ganz meiner Meinung. Morgen geht’s weiter, hoffentlich wieder mit der NYT.

Sonntag, 6. November 2011

6. November 1967


„Cresspahl fand seine Mutter in deinem Dorf südöstlich von Malchow, in einem fremden Bett. Sie war im Tod nicht kleiner geworden, aber als er sie anhob, fühlte er sie wie ein schlafendes Kind in den Armen.“ Das gibt es heute in dem recht kurzen Eintrag zu lesen, der Rest sind Gewaltnachrichten aus der NYT und das Präsident Johnson mit der Familie in der Kirche war.