Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 10. März 2012

10. März 1968


Und die nächsten Figuren werden eingeführt. Freunde von Gesine. Jim und Linda O’Driscools. Er aus Irland, sie aus Griechenland, zwei Kinder Patrick und Patricia. Schon spannend gemacht, der Eintrag, um die Beziehung / Freundschaft zwischen ihnen zu beschreiben. Nach außen ist alles recht herzlich und vertraut, ohne Berührungsängste und von einer gewissen Normalität, aber unter der Oberfläche macht sich anscheinend doch eine gewisse Fremdheit breit. Vor allem Jim ist wohl etwas eigenartig, säuft fünf Gin Tonic, fällt dannach über ein Auto und vermutet, dass er was am Herz hat. Und das ist manchmal halt auch Johnson, der gerade zwei Sätze braucht, um einen Charakter vollständig zu zeigen: „Wenn Jim über sich selber spricht, hat es den Anschein, als sei ihm vieles an seiner Person ein Rätsel. Noch wenn er das glas zum Munde führt, es ist, als ob ihm diese seine Handlung wunderlich erschiene.“

Freitag, 9. März 2012

9. März 1968


Samstag – also im Roman – Tag der Ferry. Aber – the first time (sollte mein Englisch gerade noch so stimmen) – er fällt aus. Marie macht sich auf, Francine zu suchen, um mit ihr ins Reine zu kommen. Was folgt ist eine ausführliche Betrachtung der amerikanischen „Elendsquartiere“ – ok, so schlimm ist es in Deutschland dann derzeit doch nicht mehr. Doch dann folgt ein Zitat von Kennedy. Wenn man jetzt statt „Negerkind“ durch „Kind mit Migrationshintergrund“ ersetzt oder durch „Hartz-IV-Kind“ dann stimmt das heute noch: „Das Negerkind hat … ungeachtet seiner Begabung statistisch ... halb so viel Aussicht, die Oberschule abzuschließen, wie das weiße Kind, ein Drittel so viel Aussicht die Universität zu absolvieren, ein Viertel so viel Aussicht, in einem Fachberuf zu arbeiten, und viermal so viel Aussicht, ohne Arbeit zu sein.“ Was mich langsam so richtig bestürzt: Wird denn nie gesellschaftlich etwas besser, muss es denn immer ‚die da unten’ und ‚die da oben’ geben? Naiv? Vielleicht. Oder wird nur heute auf hohem Niveau gejammert, weil sich niemand mehr auf der Straße waschen muss? Marie findet Francine nicht, aber es stellt sich heraus, das Francine nach ihr und Gesine sucht (obwohl sie sich ja in der Schule sehen. Die beiden finden das heraus, als sie „am Schalter des Mediterranian Schwimming Pool“ fragen. Sie war schon zweimal da, wollte aber nicht reinkommen. Gesine gibt dem Typen das Geld, dass sie das nächste Mal rein kann. Er ist etwas skeptisch, ist doch Francine schwarz. Er: „Soll das heißen, Sie sagen gut für das Kind?“ erkundigt er sich sekptisch. Gesine, pragmatisch: „Das soll es heißen. Hier ist ein Dollar.“  Darauf er, abschließend: „Ein Dollar ist ein Dollar.“

Donnerstag, 8. März 2012

8. März 1968


Gesine geht es bei den Paepckens wohl recht gut. Sie hat sich anscheinend eingelebt. Cressphals Schwester, Hilde, kümmert sich rührend um die Kinder und als sie mal Gesine und einer ihrer Töchter eine Entschuldigung für die Schule schreiben muss, schreibt sie „meine Kinder“. Es wird viel unternommen, es wird mindestens genauso viel gegessen. Paepckes sind auch nicht gerade Hitlerfreunde, also werden die Kinder Obersturmbandführer Bindeband nicht zu den Gartenfesten eingeladen. Umgekehrt aber schon: „Das Spielen war aber das Begehen eines heidnischen Osterfestes in einer Villa, die einem stettiner Juden gehört hatte.“ Im Sommer geht es nach Fischland und da taucht plötzlich und unerwartet Cresspahl auf. Gesine geniert sich erst, auf ihn zuzulaufen, aber als die Paepckes so tun, als würden sie intensiv über Vogelnester sprechen, rennt sie doch los. „Am nächsten Morgen war nichts richtiger, als mit ihm nach Jerichow zu fahren. Es war bereits falsch, die Paepckes zurückzulassen.“

Mittwoch, 7. März 2012

7. März 1968


Marie zweifelt an Gesines Erzählung, Cressphal sei Spion gewesen. Sie erklärt es ihr ausführlich, was er als Handwerker auf dem Flugplatz, in der Kneipe und sonst wo alles hat aufschnappen und weitergeben können. Marie sieht es etwas ein. Aber ihre Empörung ist spürbar, vor allem in einem kleinen Wortwechsel. Marie: „Du meinst, auch in … Kiel gab es solche Leute, die gingen hin und verrieten ihr Land –?“ Die bemerkenswerte Antwort von Gesine: „Die verrieten die Nazis.“

Dienstag, 6. März 2012

6. März 1968


Weiter geht es – endlich – mit der Geschichte. Cresspahl bringt Gesine in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zur Familie seiner Schwester, den Paepckes. Sie verhält sich perfekt und sucht sich aber auf dem Dachboden „eine Stelle zum Weinen“. Der Hausherr, Alexander Paepcke, kümmert sich beim Abendessen um das Kind, das ihm im Herzen weh tut, da es so traurig ist. Und als man sie nachts auf dem Dachboden weinend findet „schrie [er] außer dem Kind alle ohne Unterschied an“. Er redet auch mit Cressphal per Telefon – „Jerichwo 209 – und will ihn überreden das Kind zurückzunehmen, obwohl er es gut verstehen kann, dass Cresspahl es nicht Oma Papenbrock und ihrer Religion überlassen will, doch Cresspahl braucht nur „Alex –, in einer bestimmten Art, ganz ohne Hoffnung“ zu sagen, und Alexander gibt klein bei.

Montag, 5. März 2012

5. März 1968


Von Kakerlaken.

Sonntag, 4. März 2012

4. März 1968


Gesine hat sich an ihrem neuen Arbeitsplatz im 16. Stock noch wirklich nicht gewöhnt. Alles ist etwas noch fremd und die Gewohnheiten aus dem 11. Stock fehlen.