Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 28. Januar 2012

28. Januar 1968

Im Postamt von Jerichow wird gespitzelt und überprüft. Es gibt eine Fangliste, Chresspahl und Papenbrock stehen aber nicht drauf. Dafür natürlich Semig, der ist aber weg, in Österreich, bei einem Gönner. Dort können sie aber nur drei Wochen bleiben, dann werden sie als Juden erkannt – „In Österreich riechen sie es.“ – und fliehen dann nicht nach Frankreich, wie es Semigs Frau Dora gerne hätte, sondern nach Tschechien. Aber auch dort herrscht Hass auf Juden. Sie arbeitet als  Flickschneiderin, er als Pfleger in einer Tierklinik. Doras Eltern, „beide hoch in den achtziger Jahren … hatten sich mit Schlafmittel vergiftet.“

Freitag, 27. Januar 2012

27. Januar 1968

Betrachtungen zur NYT.

Donnerstag, 26. Januar 2012

26. Januar 1968

Heute wird’s mal theologisch. Lisbeth behauptet, dass „die Heilige Schrift an keiner Stelle den Selbstmord verbiete“. Pastor Brüshaver findet dagegen neun. „Hätte Lisbeth erfahren, dass es diesen Zaun gab, sie hätte vielleicht nicht daran gedacht, ihn zu übersteigen.“ Sie wird also im Verlauf des Buches Selbstmord begehen, dass kann man schon mal voraussagen. Wie es mit Brüshaver weitergeht dagegen nicht. Er tut sich mit seinen Predigten schwer und fragt sich, ob sie gut genug abgesichert sind, denn in der Kirche „saß zumindest einer, der seine Sätze nicht für sich aufnahm, sondern sie für andere aufschrieb“. Der Druck nimmt zu und Brüshaver wäre gerne mutiger, tapferer. Niemöller bringt er ins Spiel, mit dem er aber nicht auf einer Linie ist – dennoch ein Art Vorbild. Aber wer ist denn schon mutig? Tapfer?

Mittwoch, 25. Januar 2012

25. Januar 1968

Frauenlogik! *lach* Also das mag verstehen bzw. nachvollziehen wer will. Annie hat, nach dem Brief gestern, mit ihren Kindern die Wohnung verlassen. Annie hat heimlich den Brief gelesen, der ja an Gesine gerichtet war. Und einer der Erklärungsversuche, warum sie jetzt gegangen ist, geht so: „Sie nimmt sich übel, dass du sie jetzt für jemand halten wirst, der fremde Briefe liest, aber sie mochte nicht zulassen, dass sie weiß, dass du nicht weißt, dass sie es weiß.“

Dienstag, 24. Januar 2012

24. Januar 1968

Ein sehr eleganter Eintrag heute, äußerst elegant. Mr. F. F. Fleury, „dem die annie Killainen mit drei Kindern weggelaufen ist“ – und bei Gesine Unterschlupf gefunden haben – schreibt einen äußerst gewählten Brief an Gesine. Er wird einerseits nacherzählt, anderseits mit den (gedanklichen) Kommenta-ren von Gesine versehen. Und da wird – wenn auch formvollendet – nichts anderes getan, als schmutzige Wäsche gewaschen. Sie hat nicht zugestimmt, als er ihr – im übertragenen Sinne – das ‚Du’ angeboten hat, „denn es hätte etwas mehr werden sollten als ein Wechsel bloß in den Formen der Anrede“, was er nun entschuldigend als „Starrheit aus Natur“, der „deutschen Natur“, deklariert. Der größte Teil geht aber um die unterschiedlichen Ansichten der Rolle der USA im Vietnam-Krieg, da gibt er keinen Deut nach und versucht Gesine zu beweisen, das sie Unrecht und er Recht hat. Dickkopf Mann. Oder einfach nur naiv, weil er glauben will? Weil er an das Gute glauben will und nicht hinter jeder Ecke Verschwörungen sehen will? Und das ist natürlich ein klasse Link zu Jerichow, der Versuch einer Parallelisierung, wie eine Gesellschaft mit großen Entwicklungen umgeht. Ist – so stellt sich die Frage, nach den Erfahrungen des 2. Weltkrieges, jedes politisches Agieren nicht nur zu hinterfragen, sondern schon als Betrug an der Gesellschaft zu werten? Ist politisches Agieren per se eine Aktion der Mächtigen zum Machterhalt  und nicht zu Wohle der Gesellschaft? Er stößt mit seinen Aussagen jedenfalls nicht gerade auf eine Art Zuneigung von Gesine. Der Hammer folgt am Schluss. Annie möge doch bitte nach Hause zurückkehren, Geld sei für ein halbes Jahr vorhanden, er würde nicht da sein. „Er hat sich freiwillig für den Einsatz in Viet Nam gemeldet, gewiß, aber sie haben ihn nicht genommen.“ Jetzt ist er dort als Reporter.

Montag, 23. Januar 2012

23. Januar 1968

Gesine erkundigt sich, wie das Wetter 1938 in Flensburg und Umgebung war. Sie bekommt Auskunft. Schließlich geht es um den Besuch im März 1938 mit ihren Eltern bei der Schwester ihrer Mutter, Hilde, die ja mit Alexan-der Paepcke verheiratet ist. Drei Kinder haben die nun schon. „Alexander war jetzt Major der Reserve, harstdunichdacht!“ und redet offen über einen möglichen bevorstehenden Krieg, was Lisbeth, die insgesamt etwas reduziert und vor allem lustlos ist, nicht wirklich hören mag. Über die Zeit ist sie auch etwas angenervt und „setzt die jeweils neuen Gläser etwas hart auf den Tisch; das kann einen Paepcke nicht stören“. Cressphal freut sich, „einmal etwas zum Vergnügen zu trinken“ und so gehen die Tage vorbei. Selbst bemalte Ostereier gibt’s von Alexander, um den Johnson notiert: „Alexander Paepcke, der Künstler im Leben wie im Zaubern.“ Über Gesine erfährt man so gut wie nichts.

Sonntag, 22. Januar 2012

22. Januar 1968

Marie bekommt Post aus Vietnam. Ihr ehemaliger Kinderarzt, Dr. Brewster, ist dort und schreibt ihr hin und wieder. Ansonsten die Geschichte, wie sie sich kennen gelernt haben, dass er nett ist und das Marie schnell Vertrauen zu ihm hatte.