Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Samstag, 31. März 2012

31. März 1968


Präsident Johnson will am Abend eine Rede ‚zur Lage der Nation’ halten, sprich zum Vietnam Krieg. Marie geht davon aus, dass er verkündet, dass der Krieg aus ist. Aber er verkündet dann nur, dass die Bombardierung „zum allergrößten Teil“ eingestellt wird, er weitere 13.500 Soldaten schicken will, was wieder Geld kostet. Das Ganze „[u]m den Wohlstand des amerikanischen Volkes zu schützen, die Stärke und Stabilität des amerikanischen Dollars zu schützen.“ Aber das ist ja auch nix Neues für uns. Wir zahlen ja auch gerade wie doof, dass die deutschen Grenzen am Hindukusch verteidigt werden. Ist schon eine wahnsinnige Welt, in der wir leben. Johnson kündigt dann noch an, dass er nicht zu Wiederwahl bereit steht und wünscht Gottes Segen. Warum die Amerikaner Gott immer für alles missbrauchen müssen? Da regt man sich doch lieber über anderes auf: „Ab heute kostet die Sonntagsausgabe der New York Times nicht mehr 35 Cents sondern 50, einen halben Dollar.“

Freitag, 30. März 2012

30. März 1968


Mal wieder Tag der South Ferry. Diesmal will Marie wissen, wie Gesine als Kind in der Schule so war.  Nun ja, sie war wohl etwas verträumt und, ähnlich wie Marie, etwas zu aufgeweckt für den strengen Unterricht. In der Klasse wohl auch nicht wirklich bliebt, kam sie doch auch von außerhalb und dann noch ohne Mutter. Aber auch wenn Marie die Schulzeit ihrer Mutter mit „Gesine, du hast gelebt wie ein Hund“ kommentiert, erwidert Gesine: „Ich habe es gut gehabt“ – und in Latein eine eins (was mir nie gegeben war).

Donnerstag, 29. März 2012

29. März 1968


Heute musste ich erstmal die Verwandtschaftsverhältnisse klären. Cresspahl hat ja eine Schwester, Gertrud, die mit Martin Niebuhr verheiratet ist. Martin hat einen Bruder, Peter, der mit Martha verheiratet ist. Die beiden haben wiederum zwei Söhne, Klaus und Günter. Und bei denen vieren verbringt Gesine den Sommer 1943 in Rerik. Auch dort gibt es Fliegeralarm, man geht in den „Schutzraum … nach den Deutschen Industrie-Normen“, aber weil der Alarm solange dauert und man ihn nicht ernst nimmt, gehen die Erwachsenen wieder raus, Flugzeuge gucken. „Die lösen aus! Hörte Gesine.“ Am Ende sind u.a. Peter und Martha tot, die Kinder überleben. „In dem Telegramm für Cresspahl hatte gestanden ‚Kinder leben’, als ob einem doch immerhin die Beine fehlen konnten.“ Die beiden Waisen werden nun von Gertrud und Martin aufgenommen. „Das Kind Gesine kannte sich inzwischen aus mit Begräbnissen. Sie wusste das mit den drei Händen auf den Sarg.“

Mittwoch, 28. März 2012

28. März 1968


Gesine nimmt weiterhin Tschechisch-Unterricht bei Professor Krslils. Das Verhältnis hat sich jetzt aber geändert. War es zuerst so richtig Unterricht, wie man es sich eben so vorstellt, gehen sie jetzt spazieren, palieren miteinander. Und da Gesines Arbeitgeber dieses Lernerei unterstütz, kommt er nun auch – mit besserer Bezahlung – in die Bank, was ihn beeindruckt. Am Ende Vergleich der beiden Lebensläufe. Während Gesine in den Sommerferien war, musste er beispielsweise fliehen etc.

Dienstag, 27. März 2012

27. März 1968


Na, da macht Johnson heute aber einen Rückgriff. Böttchers Klaus kommt heute zu Wort, der mal am 13. Dezember 1967 kurz eine kleine Rolle spielte. [‚Strg + F’ ist schon was Feines.] Kurz: Klaus wollte zu der Hitlerjugend etc. pp. wurde erstmal nicht genommen, dann aber doch und ist nun zurück mit vielen, vielen kleinen runden Metallplatten an der Brust. Er hat Sonderurlaub, weil er was gesehen hat, was er nicht sehen sollte. Und da er geschworen hat, niemanden etwas zu erzählen, durfte er frei machen. Und was er gesehen hat, erzählt er seinen Eltern, Kliefoth und Cresspahl: „Wir haben in einem Gehölz am Stadtrand [von Smolensk] einen Haufen Leichen gefunden. Mannshoch. So, bis zur Schulter. Zivilisten. Aufgestapelt, wie zum Verbrennen.“ Dieser gut zweiseitige Dialog – davor ausführlich Klaus – ist schon gut, denn er zeigt die unterschiedlichen Reaktionen. Die Mutter „Wie kannst du dich so in Gefahr begeben, Klaus!“ – Ausrufezeichen, nicht Fragezeichen! – während einer der Männer fragt: „Hast du ein Bild, Klaus?“ – Fragezeichen, nicht Ausrufezeichen und danach die Herren diskutieren: „Die S.S. macht das. / Heer nicht? / Heer!“ Und es hat, wenn ich mich recht erinnere, 60 Jahre gedauert, bis klar war, dass das „Heer“ es auch gemacht hat. In diesem Fall waren auch Kinder dabei.

Montag, 26. März 2012

26. März 1968


Eine kurze Betrachtung über den Chef von Gesine, de Rosny. So ein Banker in gehobener Position halt.

Sonntag, 25. März 2012

25. März 1968


„Wie oft noch mauert Hoffnung sich ein Fundament aus nichts als rationalen Bausteinen und spart mit irrationalen Wänden den Raum aus, in dem später die Enttäuschung bequeme Wohnung findet. Warum macht Wiederholung nicht feuerfest.“