Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Dienstag, 17. April 2012

17. April 1968


Trotz oder wegen seiner Nüchternheit eine brutaler Eintrag. Im Juni 1945 haben sich die Alliierten geeinigt, wer welchen Teil von Deutschland unter sich hat. Jerichow wird den Russen zugeschlagen, die Briten rücken ab. Aber kaum einer zieht mit ihnen gegen Westen. Der alte Papenbrock aus Stolz, weil er keinen Pferdewagen mehr hat beispielsweise. Pastor Brüshaver, der dem KZ entkommen ist, denkt an die Sonntagspredigt. Und als die Russen dann kommen, beginnt das große Sterben. Schneider Pahl, der nicht als Flüchtling leben will, ertränkt sich mit der Familie. Dr. Berlin, der Arzt, vergiftet sich mit Tabletten und von Alexander Paepcke, dessen Familie schon umgekommen ist, kommt ein Brief. Darin bittet er Cresspahl, sich um seinen Familie zu kümmern wenn er sterben sollte. „Um die Blutflecken auf dem Brief herum war von einem Franzosen geschrieben, der Inhaber sei am 29. September 1944 gestorben, aber nicht, wo er begraben ist.“ Ich war vor drei Woche zum ersten Mal auf einem englischen und russischen Soldatenfriedhof hier. Bin mir auch nicht sicher, ob die russischen Familien alle Nachricht bekommen hat. Und so wie es aussieht, weiß man eh nicht genau, wer da begraben liegt. Bei dem englischen Friedhof ist es ganz anders. Eineinhalbtausend Grabsteine mit Namen und Alter. Und der wird mehrfach jährlich von englischen (!) Gärtner gepflegt. Und warum ist Cresspahl nicht fort. „Er mochte nicht mit zwei typhuskranken Kindern auf die Landstraße.“ Schicksale entscheiden sich selten unter großen Gesten.

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