Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Montag, 19. September 2011

19. September 1967


Überraschender Eintrag. Gesinde wird von dem Erzähler? vom Chronisten? von wem überhaupt? direkt angesprochen. „Dein Kind Miss Cresphal … „ – und es ist anklagend. Weil Marie in einem guten Kindergarten untergebracht war, weil Marie auf eine Privatschule geht, die Geld kostet, weil Marie einen Arzt hat, der auch zu ihr nach Hause kommt. Wer spricht da? Wer erhebt da Anklage, dass Marie es besser hat? Da spricht jemand, der gegen ‚Klassen’ ist, der gleiche Chancen für alle fordert, der sieht, dass Gesine mit dem Gedanken zumindest sympathisiert, aber anders handelt. Da ist einer, der Gesiie in Frage stellt. Ist es einer, der ‚rein’ tut, der wirklich konsequent ist? Einer, der „wahr“ lebt? Oder ist es nur d9ie Stimme der Hoffnung, ‚gerade’ leben zu können? Das schlechte Gewissen, gut zu denken und dann doch mainstream zu leben? Die Stimme in einem, die einem Tag für Tag aufzeigt, wo und wie man sich mal wieder verrät? Wahrhaftigkeit, Konsequenz Begriffe, die man schön findet, aber nicht zu leben weiß? Ein kleiner Text über die die alltäglichen Selbstlügen, die tägliche Selbstberachung, über das tägliche: „ich bin anders, also darf ich …“ Entlarvend.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen