Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Montag, 28. November 2011

28. November 1967


Heute gibt es, nach den üblichen Meldungen aus der NYT, einen Brief – aus Jerichow! Gesine hat dort nach der „Anzahl der jüdischen Kurgäste in den Jahren vor 1933“ angefragt. Die Antwort ist gut zweieinhalb Seiten lang und, wie ich finde zu erwarten, natürlich ohne Antwort. Johnson will hier die DDR aufzeigen und macht die Antwort halt länger, realistisch wäre die Passage aus dem hinteren Teil gewesen: „… dass einzelne statistische Daten … nicht an Privatpersonen ausgegeben werden …“ Das hätte gereicht. Aber so wird Gesine erstmal höflich, wenn auch sehr bestimmt darauf aufmerksam gemacht, dass sie als Bürgerin der Deutschen Demokratischen Republik unterlassen habe, sich vor 14 Jahren abzumelden und daher „nicht von den Pflichten eines Bürgers der Deutschen Demokratischen Republik entbunden [sei] … und daß Volk und Regierung … [erwartet], daß … [sie] im Sinne … [der] Verfassung für den Frieden und die Verständigung unter den Völkern und gegen die imperialistischen Kriegstreiber … [auftrete].“ Ansonsten lobt sich die DDR in diesem Schreiben vollmundig, preist ihre Errungenschaften an so dass man an das gelobte Land denken muss. Die gewünschten Daten werden auch aus Angst, man könnte Schindluder mit ihnen treiben um die DDR in Misskredikt zu bringen, verweigert. Der ‚souveräne Staat’ sieht auf jeden Fall anders aus – fragt sich natürlich, ob es so einen überhaupt gibt. Manchmal möchte ich echt nicht wissen, was ich alles von diesem Staat nicht weiß, denn das wäre / ist sicher nur erschreckend.

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