Längerer Eintrag – aber daran
werde ich mich wohl gewöhnen müssen – über Cressphal und den russischen
Stadtkommandanten K.A. Pontij. Ein sehr ambivalentes Verhältnis. Einerseits
wird Cresspahl dauernd mit der Todesstrafe gedroht, wenn er nicht alle Befehle
unverzüglich durchführt, andererseits wird Cresspahl abends auf Gelage
eingeladen. Als ein „Rotarmist“ der kleine Gesine das „Fünfmarkstück aus
Kaisers Zeiten, das Lisbeth Cresspahl im Oktober 1938 bei Uhren-Ahlreep hatte
zu einer Brosche fassen lassen, aus Trotz gegen die Goldräuberei der Nazis“ vom
Hals reißt – also stiehlt – geht Cresspahl von Pontij und macht ihm „gegen wie
Uhr nachts den Unterschied zwischen Münze und Schmuck“ klar – zwei Tage später
hat Gesine die Brosche wieder. Dauernd sieht sich Cresspahl der Gefahr ausgesetzt,
wegen Beleidigung der russischen Armee an die Wand gestellt zu werden,
beispielsweise als er auflistet, wer wann wo vergewaltigt wird. Da sind zwei
Männer in ihren Rollen, mehr oder weniger freiwillig angenommen. Da sind zwei
Männer, die ihre Pflicht tun / tun müssen. Und da sind zwei Männer, die, wenn
sie weder ihre Rollen noch ihre Pflicht tun müssten, sich wohl uneingeschränkt
verstehen würden. Starker Eintrag über die Ambivalenz von Rollen, von Personen.
Und genauso stark, im Sinne von eindrucksvoll, zu Beginn, denn man begeht in
New York den „Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto vor fünfundzwanzig
Jahren“. Und mir ist selten ein einzelner Satz untergekommen, der so machtvoll
Dimensionen veranschaulicht: „Mehr als vierzigtausend Männer, Frauen und Kinder
starben nach vierzig Tagen Kämpfen gegen deutsche Truppen, und dreitausend
Lebende standen gestern auf Bürgersteig und Verkehrsinsel …“.
(Gestern über die NZZ auf einen Link
gestoßen, die New York Times – die übrigens immer weniger vorkommt – hat ein
tumblr-blog eingerichtet und zeigt grandiose (!) Bilder aus ihrem Archiv. Wer
gucken will: http://livelymorgue.tumblr.com/.)
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