Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Dienstag, 4. Oktober 2011

4. Oktober 1967


Ja fein – geht’s noch aktueller? Einerseits macht sich Lisbeth Gedanken über die Löhne der Mitarbeiter ihres Mannes – er solle sie erhöhen, worauf er antwortet „Von deinem Küchengeld gib ihm, Lisbeth, und laß es die Konkurrenz nicht wissen.“ – und ist etwas erschrocken über eine Demonstration einer abgerissenen Masse von Männern, sprich Arbeitslosen, andererseits „müssen die U.S.A. Billionen Dollar haufenweise … aufwenden, wenn sie tatsächlich und ohne Ansehen der Rasse gegen die Armut im Land vorgehen wollen.“ Und damit beschreibt Johnson nicht nur nicht nur die damalige politische Situation, sondern, mit einem kleinen Wort, auch die heutige, weitgehenst egal in welchem Land. Denn diese „Billionen Dollar haufenweise“ werden an vielen Ecken und Enden gebraucht, siehe Afrika mit dem Hunger, siehe Griechenland, wenn auch vielleicht z.T. selbstverschuldet, siehe Harz IV, siehe Aids-Waisen in aller Welt … die Liste ist schier unendlich. Und dass der Zustand von 1967 quasi, wenn auch in anderen Farben getaucht, immer noch anhält, kennzeichnet Johnson meiner Meinung nach ganz einfach, ganz schlicht aber so was von treffend mit: „tatsächlich“. Nein, keine allgemeine Politiker-Schelte jetzt, das ist eh zu kurz gegriffen, und auch kein moralin-saures Gejammer, ich versuch es jedenfalls, aber der Weg von der Idee zum Tatsächlichen ist halt weiter als gedacht. Und das leben nicht nur Politiker.

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