Die "Jahrestage" von Uwe Johnson (1934-1984) erschienen in den Jahren 1970, 1971, 1973, 1983.

In 366 Tageseinträgen vom 21. August 1967 bis zum 20. August 1968 wird das Leben der Gesine Cresspahl erzählt.

Mein Vorhaben: Zum jeweiligen Datum den Eintrag zu lesen und hier meine Gedanken, Kommentare zu posten


Dienstag, 28. Februar 2012

28. Februar 1968

Mrs. Ferwalter ist heute Thema. Jüdin aus der Slowakei, war im Konzentrationslager, bevor es über Israel nach Amerika ging. Jetzt spricht sie mehrere Sprachen, aber keine richtig. Und sie ist ein kleines Phänomen, denn ob der deutsche Staatspräsident Baulpläne für Konzentrationslager unterzeichnet habe oder nicht, interssiert sie nicht, denn die Deutschen konnten ja nix dafür. Andererseits hat sie es schon sehr beargwöhnt, dass Gesine eine schwarzes Kind zu sich genommen hatte und erwartet wiederum auch europäische Geburtstagsgepflogenheiten. Mir scheint sie eine Frau zu sein, die aufgrund der Biographie letztendlich furchtbar entwurzelt ist und sich eine Realität zurechtzimmert, mit der sie es aushalten kann. Dass sie an Gesine einen Narren gefressen hat, merkt man daran, dass sie sich etwas in die Beziehung einmischt und Gesine bittet, D.E. nicht zu verlassen, wo Gesine jetzt doch ein Verhältnis mit einem hohen Präsidenten der Bank hat. Das hat ihr dieser omninöse Dmitir Weiszand gesteckt, der seit drei Monaten sehr freundlich zu ihr ist. Schlußdialog: "Ich mag dich nämlich gern, du Deutsche. Kannt due es verstehen? -- Nein, Mrs. Ferwalter. Aber es soll uns recht sein, und wir erwidern es."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen